Am 28.8.15 beschlossen in Paris die europäischen Innen- und Verkehrsminister “multinationale Patrouillen in grenzüberschreitenden Zügen” und eine “Einführung von Namensfahrscheinen” für Reisende. Auch die Kontrollen der Fahrgäste und deren Gepäck auf größeren Bahnhöfen sollen verschärft werden. Zudem planen die Minister die Änderung der Waffengesetze.
Damit reagierten sie auf die Tat eines Islamisten, der am 21.8.15 versuchte in einem Thalys-Schnellzug in Belgien einen Anschlag zu verüben. Mehrere couragierte Reisende überwältigten den mit einer Kalaschnikow, einer Pistole und einem Teppichmesser bewaffneten Mann. Trotzdem waren zwei Menschen durch den Attentäter schwer verletzt worden, ehe er entwaffnet wurde.
Im Zuge der Einigung der europäischen Minister will Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) weitere Überwachungsfantasien verwirklichen. Der Presse verriet er, dass es bereits einen Investitionsplan zur Kameraüberwachung deutscher Bahnhöfe gebe. Den Datenaustausch über potentielle Verdächtige will er “verbessern” und die umstrittene Fluggastdatenspeicherung in Europa plant er voranzutreiben.
Damit kündigt er -jenseits aller Lippenbekenntnisse-, dass es zu einer flächendeckenden Kontrolle der Reisenden nicht käme, genau dies an! Freies und anonymes Reisen mit der Bahn gehört – wenn alle Pläne des Bundesinnenministers de Maizière umgesetzt werden- nämlich der Vergangenheit an.
Sollten Reisende zukünftig auch noch überlegen müssen, was sie in ihrem Koffer mitnehmen, um sich bei einer Gepäckkontrolle nicht schämen zu müssen? Sind sie gezwungen im Bahnhof genau darauf zu achten, worüber und mit wem sie sich unterhalten, um nicht versehentlich als ” potentielle Verdächtige” in den Fokus von Behörden zu geraten?
Das wäre ein weiterer Abschied von Bürgerrechten zugunsten des allgegenwärtigen Prinzips “Sicherheit”.
Eine unfreiwillige Entwarnung kommt von der Deutschen Polizeigewerkschaft. Deren Gewerkschaftsvorsitzender Wendt erklärt der Presse, dass Terroranschläge durch erhöhten Polizeieinsatz nicht verhindert werden könnten. Selbst wenn man alle 40 000 Bundespolizisten für die Überwachung einsetzen würde, wäre angesichts der sieben Millionen Reisenden keine “flächendeckende Überwachung” des Bahnverkehrs möglich.
Die fehlende “Man-Power” der Polizei lässt Thomas de Maizière (CDU) fadenscheinige Beteuerung: “Wir wollen keine vollständige, flächendeckende Personen- oder Gepäckkontrolle in den Zügen in Deutschland oder Europa”, fast lächerlich erscheinen. Dazu passt, dass der Anschlag im Thalys durch Zivilcourage verhindert wurde und nicht durch Überwachung oder Kontrollen. Weder im Flugzeug, noch im Bahnhof war der schwerbewaffnete Mann entdeckt worden. Eigentlich führen diese Tatsachen die verstärkten Überwachungspläne zugunsten erneuter Freiheitseinschränkungen der Bürgerinnen und Bürger ad absurdum. Ob die Tatsache, dass Flüchtlinge nicht mehr mit dem Zug in das Land können, wenn die “Namenstickets” einführt werden, ein unbeabsichtigter Kollateralschaden ist, kann man augenblicklich nicht beurteilen.
Wir Piraten setzen uns angesichts solcher Pläne noch vehementer für Freiheits- und Bürgerrechte ein.
In unserem Grundsatzprogramm steht eine klare Absage an den Überwachungsstaat: “Die Piratenpartei sagt dieser Überwachung entschieden den Kampf an. Jeder einzelne Schritt auf dem Weg zum Überwachungsstaat mag noch so überzeugend begründet sein, doch wir Europäer wissen aus Erfahrung, wohin dieser Weg führt, und dahin wollen wir auf keinen Fall.”
About Christiane vom Schloß
Seit Juli 2014 Redakteurin der Flaschenpost. Bürgerliches, also nicht gewähltes Mitglied der Kreistagsfraktion Linke und Piraten in Pinneberg, Schleswig-Holstein. Parteimitglied der Linken.
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Kommentare
5 Kommentare zu Europaweite Überwachung in Zügen und Bahnhöfen geplant!
Dann sollten friedliche aber mit einem Teppichmesser bewaffnete Handwerker die Bahm zukünftig wohl auch besser meiden. 🙁
Es war wohl kurz nach 9/11, als ein Elektriker in der Londoner U-Bahn tatsächlich erschossen wurde. Aus seiner Tasche hingen Kabel, die Polizei befürchtete einen Anschlag. Überwachung und Kontrolle ist schon seit langer Zeit die Standardantwort der Politik auf alle Problem. Stellen wir uns für einen Augenblick eine andere Welt vor. Eine Welt, in der nicht durch Überwachung Anschläge verhindert werden sondern durch die Erfüllung des Versprechens “Wohlstand für alle”. Das wäre eine Welt in der jeder ein (vielleicht bescheidenes) Auskommen dürch einge Arbeit hätte. Eine Welt, in der es Zuversicht auf eine bessere Zukunft gibt und die Hoffnung, sich persönlich weiter entwickeln zu können. Wir leben allerdings in einer anderen Welt. In einer Welt mit Menschen ohne Hoffnung, die mit allem abgeschlossen haben und die wissen, dass sich das für sie bis zum Tod nicht mehr ändern wird. So entsteht islamistischer Terror, so entsteht rechte Hetze und Gewalt. Mit Kontrollen, Überwachung und harten Strafen für Selbstmordattentäter werden keine Ursachen einer um sich greifenden Radikalisierung bekämpft.
“…die Erfüllung des Versprechens “Wohlstand für alle”. Das wäre eine Welt in der jeder ein (vielleicht bescheidenes) Auskommen dürch (sic) einge Arbeit hätte.” Was ist das wieder für ein wirres Zeug!??
Arbeit, von der man leben kann, für Alle?? Ich will darauf jetzt gar nicht inhaltlich eingehen, weil die Piratenpartei schon mal viel weiter war – und immer noch die geltende Programmlage ist: Eine menschenwürdige Existenz muss unabhängig von Erwerbsarbeit allen Menschen garantiert werden. Siehe https://www.piratenpartei.de/politik/gesellschaftliche-teilhabe/arbeit-und-soziales/
Namenstickets bei der Bahn, so wie im Flugzeug. Da haben Namenstickets ja auch so viele Terroranschläge und Flugzeugentführungen verhindert: http://www.spiegel.de/panorama/chronik-die-spektakulaersten-flugzeugentfuehrungen-a-57828.html
Das einzige, was Namenstickets in Zügen verhindert, ist spontanes Reisen, oder die Einreise von Flüchtlingen. Terroranschläge kann auch noch soviel Überwachung niemals verhindern.
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