Es gibt einige Themen, zu denen klare Worte der Kanzlerin schmerzlich vermisst werden. Beispielsweise die NSA-Affäre, die heftiger werdenden Attacken auf die Pressefreiheit oder die marodierenden Rechtsradikalen, die betrunken und mit eingenässten Hosen Steine und Flaschen auf Flüchtlinge werfen und im Schutz der Dunkelheit Wohnheime und Moscheen in Brand setzen.
Statt dessen fliegt Merkel mit Wirtschaftsdelegationen durch die Welt, zuletzt nach Brasilien, um sich dort gegenüber schwachen Präsidenten stark fühlen zu können. Doch zu den Unruhen in Deutschland findet die zur mächtigsten Frau der Erde gewählten Kanzlerin kein einziges Wort. Es scheint, als überlasse sie es der CDU, eine Position zu finden, um sich dann wie schon oft in der Vergangenheit geschehen, auf die Seite des Siegers zu stellen. Doch wer gewinnt die Deutungshoheit für die steigenden Asylbewerberzahlen und die Ausschreitungen? Die “mitfühlende CDU” oder jene Kreise der Konservativen, die nur Lippenbekentnisse zum Grundrecht auf Asyl von sich geben, es aber am liebsten sähen, wenn es nicht in Anspruch genommen wird? In Sachsen jedenfalls sprach Stanislaw Tillich von der Härte des Rechtsstaats und “Null Toleranz”, ohne dass bisher auch nur einer der Randalierer festgenommen wurde. Festgenommen wurde, glaubt man Twitter, dagegen ein Journalist – was ins Bild der allgemeinen Stimmungslage passt.
Merkels Apathie für innenpolitische und humanitäre Themen sowie ihre soziale Kälte bestimmen schon heute die Politik der grossen Koalition. Sollte sie 2017 tatsächlich noch einmal antreten, stehen weitere vier Jahre des Stillstands vor dem Land. Diese “bleiernen Jahre” konnte sie an ihrem Ziehvater Helmut Kohl ausgiebig studieren. Bei ihm war spätestens 1994 jedes Interesse an der Politik verflogen. Das ermöglichte Heinz Klaus Mertes mit seinen “Zur Sache Kanzler“-Interviews Hofberichterstattung zu betreiben, da Kohl es nicht mehr für nötig hielt, sich kritischen Fragen von Journalisten zu stellen. In einer ähnlichen Position befindet sich Angela Merkel bereits heute: Sie schickt ihren Pressesprecher Steffen Seibert vor, dem es überlassen bleibt, teils bohrende Fragen, zuletzt zu den Ermittlungen gegen die Journalisten von netzpolitik.org, nichtssagend und möglichst vieldeutig zu beantworten. Helmut Kohl sah in den frühen 60-er Jahren, wie Kanzler Adenauer zunehmend das Interesse am politischen Austausch verlor und einsam vor sich hin regierte. Führt man diese Beobachtung in das Jahr 2015 fort, wird auch heute ein Politiker der Union beobachten, wie aus der Kanzlerschaft eine Qual wird. Es spricht einiges dafür, dass es Peter Tauber ist, der eines Tages ins Kanzleramt einziehen will. Ihm fehlt jedoch schon heute das Vermittelnde, das Ausgleichende in der Politik. Damit ist jede Vorfreude auf eine Ende von Merkels Regierungzeit verfehlt.
About Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervor ging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites grosses Hobby, den Amateurfunk, investiert.
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Kommentare
5 Kommentare zu Merkels Bleierne Jahre
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin mit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Nun habe ich bei dem Rententräger angerufen, da sagte mir eine Dame ich hätte als SGB3 Bezieher keine Chance auf Erwerbsminderungsrente, da ich nicht einzahle. Daraufhin erinnerte ich mich, dass die ehemaligen Bürger der DDR auch nicht in das Rentensystem eingezahlt hatten, aber dennoch Rente beziehen. Weiter bin ich auf Arbeitssuche und muss feststellen, dass der viel beschworene Facharbeitermangel eine Lüge ist, denn es bewerben sich eine menge Menschen auf Stellen. Ich sah die vielen Bewerbungsmappen. Ich frage mich, wie man SGB3 Bezieher hinstellen möchte, als ob sie nicht arbeiten wollen, aber gleichzeitig den Arbeitsmarkt mit ausländischen Arbeitssuchenden überschwemmt. Die SPD und auch die CDU hat nichts weiter gemacht, als Sozialhilfeempfänger aus uns für immer zu machen, wie es mir erscheint. Wo sich viele Menschen auf eine Stelle bewerben sinken die Löhne. Wenn geringe Löhne gezahlt werden, werden geringe Rentenbeiträge entrichtet. Somit hat jeder zweite im Alter Anspruch auf Grundsicherung, quasi Sozialhlfe. Das ist die wirkliche Leistung der SPD und CDU der vergangenen Jahre. Die wundern sich über Politikverdrossenheit. Grüße Anony
Die Billiglöhne haben kaum was mit Ausländern zu tun die den Arbeitsmarkt “überschwemmen”. Es gibt sehr viele offene Stellen, das bedeutet jedoch nicht dass das in JEDEM Bereich so sein muss und das bedeutet auch nicht, dass sich auf jede Stelle nur eine Person bewirbt. Bei uns in der Firma werden sogar Kopfgelder an Mitarbeiter ausgezahlt die eine neue fähige Fachkraft anwerben. Was du schreibst sind verallgemeinerungen die du vielleicht aus deiner persönlichen Erfahrung ziehst. Ich kenne dich nicht aber wenn man nicht genommen wird liegt das meistens an einem selbst und ich wette kein “Billig Lohn Ausländer” hat deinen Job bekommen. Lohnverfall hat viele Gründe du solltest dich vielleicht erstmal besser informieren.
Der Kommentar ist recht einseitig und linkslastig.
Bundeskanzlerin Merkel hat einige schwere Krisen recht gut gemeistert. Wir müssen bedenken, dass unsere Gesellschaft politisch faul und unmündig ist. Bei Wahlen nehmen immer weniger Bürger teil, weil sie einfach zu faul sind, zum Wahllokal zu gehen und damit die Radikalen wählen, denn deren Anhänger werden zur Wahl gehen. Jeder Nichtwähler wählt also die Nazis und die Kommunisten ( auch wenn die sich unter anderen Namen verstecken; die Ideologien sind dieselben ).
Frau Merkel regiert in einer Koalition in einem Altherren-Club, was auch nicht leicht ist. Und wo gibt es eine Alternative zu ihr heute ? Wer in der CDU / CSU könnte heute dieses Amt ausfüllen ? Und wer von der SPD ?
Und die Opposition ? Ich vermisse bei allen Parteien, dass sie realisierbare Konzepte vorlegen, wie die politischen Probleme gelöst werden können.
Wie sollen wir das Flüchtlingsproblem lösen ?
Frau Merkel hat immerhin den Mut darauf hinzuweisen, dass Deutschland nicht alle Flüchtlinge dieser Welt aufnehmen kann. Linke sehen das anders. Aber wie viele Linke haben bereits Flüchtlinge in ihre Wohnungen aufgenommen und teilen ihr Einkommen mit Ihnen ?
Welche Lösungen sind vorstellbar ?
Wir sollten die Flüchtlinge als Chance begreifen, dass sie unsere überalternde Bevölkerung verjüngen und sie nicht in Flüchltingsheimen unterbringen, sondern sie sofort in unsere Gesellschaft eingliedern.
Greencard ist eine Schande für Deutschland, denn dann berauben wir gerade die Länder ihren hoch qualifizierten Arbeitskräften,die sie selber dringend benötigen und die viel Geld in ihre Ausbildung investiert haben.
Es gibt auch unter den Flüchtlingen hoch qualifizierte Menschen oder viele, die dazu ausgebildet werden können. Wie viele Nobelpreise haben denn eingentlich Neonazis erhalten ?
Bürger ansprechen, ob sie in ihren Häusern oder Wohnungen Flüchtlinge aufnehmen wollen und sie als “Pate” unterstützen wollen, sie in unsere Gesellschaft einzugliedern. Wir dürfen keine Ghettos schaffen, wenn wir die Integration wollen. Ghettos schaffen immer Feindseligkeiten. Wir haben das mit den Juden-Ghettos in Deutschland erlebt.
Der Staat muss sofort alle rechtlichen Hürden beseitigen, die den Eingliederungsprozess behindern und Bürger daran hindern, Flüchtlinge sofort aufzunehmen.
Wo ist die Grenze der Aufnahmenkapazität ?
Zur Zeit haben wir ca. 80 Millionen Einwohner in Deutschland. Wenn wir neuen Wohnraum schaffen, mit terrasenförmigen Hochhäusern und großzügen Grünanlagen ringsherum, könnten in jedem dieser Hochhäuser einige tausend Wohnungen eingebaut werden.
Es würden also nicht allzu große Flächen benötigt, um mehrere Millionen Menschen mit Wohnraum zu versorgen.
Wir müssen bedenken, dass diese Menschen, sobald sie integriert werden, selbst nicht nur Arbeitnehmer sind, sondern viele auch Arbeitgeber sein werden. Und sie zahlen langfristig in die Sozialsysteme an.
Welchen Beitrag liefern denn die Nazis für unsere Sozialsysteme ?
Natürlich muss ein Umdenken in unserer Gesellschaft stattfinden. Wir müssen uns von dem Mythos “Deutsche Kultur” verabschieden.
Die Geistesgrößen,auf die sich dieser Mythos aufbaut, sind Herder, Goethe,Schiller und andere. Die waren aber Weltbürger, die zufällig in Deutschland lebten. Sie alle waren sehr an anderen Kulturen interessiert.
Und das alles soll Frau Merkel alleine schultern ?
Wo ist also die Aufnahmegrenze ?
Deutschland hat nach dem 2. Weltkrieg ein massives Flüchtlingsproblem gelöst, das die Nazis verursacht hatten und damals lag Deutschland buchstäblich am Boden. Die mesiten Großstädte lagen in Schutt und die Produktionsanlagen waren demontiert und weggeschafft.
Heute ist Deutschland stark und gut organisiert.
Also sollte es möglich sein, jedes Jahr 1 Million Flüchtlinge aufzunehmen und einzugliedern.
Bei richtiger Planung sollte es möglich sein, daß langfristig 200 Millioen Menschen in Deutschland leben können, gleichmüssig über Deutschland verteilt.
Persönlich glaube ich ja, dass der steigende Anteil der Nichtwähler weniger in der Faulheit, als vielmehr in einem Gefühl des “es ändert sich ja doch nichts” begründet ist. Als Indiz dafür möchte ich die vielen Initiativen anbringen, in denen viele Engagierte den Erfolg sofort sehen – ob beim Freifunk, in Flüchtlingsinitiativen oder bei anderen, auch bei kirchlichen, Einrichtungen. Wenn Frau Merkel sagt “wir können nicht alle aufnehmen” geht das am Thema genaus so vorbei wie wenn linke Gruppen sagen “Grenzen auf”. Was wir erleben ist eine Auswanderungswelle, wie sie die Welt schon lange nicht mehr sah. Die Lebensverhältnisse in vielen Ländern des Balkan oder des Nahen Ostens sind derart prekär, dass viele ihr Land verlassen um ihr Überleben im nahen Europa zu sichern. Wir in Deutschland kennen das aus der Zeit nach 1933 und verstärkt nach 1945, als Reisen wieder möglich war. Und vorher nach 1849, als die Demokratiebewegungen in den Deutschen Ländern niedergeschossen wurden und viele in die USA Sicherheit und ein Auskommen fanden.
Natürlich sind die Flüchtlinge die heute zu uns kommen eine Chance. Wir sollten uns jedoch davor hüten in ihnen nur “Rentenbeitragszahler”, “Fachkräftemangelkompensierer” oder gar “Organspender” zu sehen. Sie kommen als Menschen zu uns – genau so sollten wir sie empfangen.
Guter Artikel. Im einzelnen noch Details über die Regierungscompetenz von Frau Merkel zu verlieren, ist Zeitverschwendung. Die Bundeskanzlerin regiert offensichtlich hinter verschlossenen Türen. Umsetzbare Visionen oder tragende Ideen sind bisher nicht rüber gekommen. Sie verwaltet nur das, was das Management um Sie herum, durchziehen will. Das Paradebeispiel ist die Arbeitslosigkeit, von Millionen von Bürgern. Hier eine Perspektive für die Leute zu Bauen, ist gleich Null. Das Gegenteil ist der Fall. Bestehende Entwicklungen (Hartz 4) wurden lediglich so geschliffen, dass die Jubelmeute hinter ihr, sich zufrieden zurücklehnen kann. Nach meinen Schätzungen hat Frau Merkel es geschafft, ein gutes Viertel der Bevölkerung auszugrenzen. Unglück und ein unsägliches Leid den Betroffenen zuzufügen. Die Regierung Merkel, bedeutet für mich Kälte und Ignoranz. Was Sie sehr gut beherrscht, ist das Vorspielen falscher Tatsachen.
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