Die Ukraine will in die NATO aufgenommen werden. Angesichts des Konfliktes in der Ukraine, welcher sich laut Meldungen mehr und mehr zu einem Krieg zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation ausweiten kann, will das ukrainische Parlament die Neutralität des Landes neu überdenken. Russische Truppen sollen nach Angaben der Ukraine und der NATO auf dem Gebiet der Ukraine operieren, auch wenn Russland es bestreitet. Jetzt fordert die Ukraine von der NATO, dass diese der Ukraine Waffen liefern soll, damit die ukrainischen Truppen Russland etwas entgegensetzen können. Die NATO will jedenfalls im Moment, so lauten die Meldungen aus Brüssel, sich nicht aktiv am Konflikt in der Ukraine beteiligen. Dennoch will das westliche Bündnis den Wunsch der Ukraine als kommendes NATO-Mitglied respektieren und prüft die Entscheidung wohlwollend, ob die Ukraine in die NATO aufgenommen werden kann. Dies wird Russland nur wieder zu neuen Maßnahmen gegenüber der NATO und der Ukraine provozieren. Russland kann eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine schon nicht gutheißen, da die Ukraine so über die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU indirekt mit der NATO verwoben wäre. In dem Buch „Die einzige Weltmacht“ schreibt der ehemalige Sicherheitsberater unter US-Präsident Carter, Zbigniew Brzezinski, in den 1990iger Jahren, dass ohne die Ukraine Russland keine Chancen mehr hat, eine Großmacht zu sein. Russland ist derweil seit den 1990iger Jahren ökonomisch eng mit dem Westen verflochten und versucht nun seine Abhängigkeit von westlicher Technologie zu minimieren. Dabei wird es aber noch einige Zeit dauern, bis die russische Föderation sich wirklich auf China und die anderen GUS Staaten, die enge Beziehungen zu Moskau unterhalten, stützen kann. Der SPIEGEL meldet, dass die Politik von Russlands Präsident Putin die Wirtschaft von Russland schädigt. Dem widerspricht ein Artikel im Fachmagazin „Foreign Affairs“ wo unter dem Titel „Band of Outsiders – How Sanctions Will Strengthen Putin’s Regional Clout“ gesagt wird, dass die Staaten der GUS, welche enge Beziehungen zu Russland haben, nun dank dem Wegfall der Produkte aus der EU neue Absatzmärkte in Russland haben und was deren Ökonomie zusätzliche Stimuli verpassen wird. Russland wird so die Chance haben, seinen Griff auf diese Staaten auszudehnen und so in der Lage sein, seine Bindungen mit den Staaten, welche Russland wohlgesonnen sind, zu stärken.
Russland wird nicht durch ökonomischen Druck von seiner Ukraine-Politik zurückweichen. Für Staaten geht es nach der Theorie des Realismus darum, dass ihre Sicherheit gewährleistet ist, und für diese Sicherheit nehmen sie viele Opfer in Kauf. Eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine wäre für Russland eine große Bedrohung. Die NATO würde damit sehr nah an Russland heranreichen und der Konflikt um die Krim und die Ostukraine würde so sehr schnell zu einem Konflikt zwischen der NATO und der russischen Föderation werden. Die Politiker des Westens haben aber die Theorie des Realismus nicht auf ihrem Radar. Für sie gilt die Theorie des Liberalismus, wonach nach Fukuyama das „Ende der Geschichte“ erreicht sei und die westliche Demokratie weltweit siegreich sein wird. Dies wird ebenfalls mit der Theorie des “Demokratischen Friedens” untermauert. Diese bediente unter anderem G. W. Bush bei seinem Einmarsch in den Irak. Auf Probleme bei der 1:1-Umsetzung dieser Theoie in politische Praxis gehen Adama Sow und ich in einem Essay für die European Peace University 2008 ein. Der Westen nahm einiges von Zbigniew Brzezinskis Ideen auf und daher haben sie die NATO-Osterweiterung voran getrieben. Ebenso dehnte sich die EU weiter nach Osten aus. Mary Else Sarotte beschreibt in Foreign Affairs, dass der Westen entgegen Absprachen mit der UdSSR sich daran machte, die NATO nach Osteuropa auszudehnen. Dies haben die russischen Politiker nicht vergessen. Für sie ist die NATO und der Westen jemand, der jede Schwäche von Russland nutzt, um Russlands Spielraum weiter zu beschränken. Die Ukraine ist dabei eines der letzten Gebiete in Europa, wo Russland noch einiges an Einfluss besaß und wo die NATO noch nicht vertreten ist. Daher ist eine pro-russische oder neutrale Ukraine im Interesse Moskaus. Russlands Politik ist es, den Preis für eine NATO- und EU-Mitgliedschaft der Ukraine so hoch wie irgendwie möglich zu machen, sodass der Westen davon Abstand nehmen möchte. Dabei dient das Vorgehen in Georgien, wo der Westen tatenlos zusah, als Blaupause. Moskau registriert, dass die USA sich dem Iran annähern und dass im Nahen Osten neue Allianzen geschmiedet werden. Dabei ist in „Die einzige Weltmacht“ dargelegt, dass eine Kooperation zwischen dem Iran und den USA besonders wichtig ist, wenn man Russlands Spielraum beschränken möchte und dafür sorgen will, dass Russland nicht wieder eine Großmacht werden möchte. Die USA müssen nun durch das Chaos im Nahen Osten und ISIS neue Allianzen schmieden und es ist nun durch die Atomgespräche mit dem Iran klar zu sehen, dass es zu einer Annäherung zwischen Washington und Teheran kommt. Beide Staaten haben viele gemeinsame Interessen in der Region und wollen kooperieren. In Foreign Affairs wird darüber berichtet, wie die beiden Staaten nun die neue Kooperation betreiben, und doch gibt es noch ideologische und historische Vorbehalte, welche diese neue Kooperation wieder beenden könnten. Dabei wird ganz klar Russlands Spielraum in der Region eingeschränkt, auch wenn die USA darüber diskutieren, Assad gegen die ISIS zu unterstützen. Syrien stellt den einzigen Marinestützpunkt der russischen Marine im Mittelmeer. Dazu kommt, dass Syrien enge Beziehungen zu Russland und dem Iran unterhält. In dem Buch “Die einzige Weltmacht” ist der Schlüssel zur Eindämmung Russlands der Iran. Eine Annäherung des Irans an die USA würde den Einfluss Russlands, welche über den Iran und indirekt auch über Syrien einen gewissen Einfluss im sonst US geprägten Nahen Osten haben, weiter eindämmen. Diskutiert wurde eine Eindämmung Russlands auch schon vor einigen Jahren auf “Foreign Affairs”, als der Fachartikel von Julia Tymoshenko in Foreign Affairs erschien. Daneben wird aktuell mit Artikeln in der Washington Post und anderen Magazinen wie dem “American Thinker” diskutiert. Russland selbst sieht die NATO als Mittel der Eindämmung Russlands, wie die russische Zeitung Pravda titelte. Moskau sieht die Annäherung zwischen den USA und dem Iran kritisch. Der Dialog über das Atomprogramm des Irans, welcher unter Rohani in Gang kam, und die Kooperation zwischen dem Iran und den USA im Irak gegen ISIS, wird Moskau kritisch sehen. Die ISIS hat ganz klar die alten politischen Allianzen in der Region ins Wanken gebracht. Russland muss befürchten, dabei außen vor zu bleiben. Im 21. Jahrhundert ist Ökonomie ein wichtiges Machtmittel und noch sind die Chancen, die der Westen auf technologischen und ökonomischen Gebiet bietet, für viele Staaten zu verlockend. China, welches an einer Schwächung Russlands nicht interessiert ist und Russland in seiner Ukraine-Politik unterstützt, kann ebenso wie Russland dem (noch) nichts entgegensetzen.
Was können wir PIRATEN machen? Wir müssen für diese Mechanismen ein Gespür besitzen. Politik wird nicht im Internet gemacht. Das Internet ist nur ein verlängerter Arm der realen Politik. Wie man aus der Soziologie weiß, hat der Mensch verschiedene Bedürfnisse. Sicherheit gehört dabei zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Dieses gilt auch für Staaten. In demokratischen Staaten machen die Menschen des Landes die Politik. Wir PIRATEN müssen uns aus den technischen Debatten verabschieden und mehr auf die Menschen zugehen. Wir müssen uns mit sicherheitspolitischen Fragen beschäftigen und dürfen uns dabei nicht uns auf linke Utopien beschränken. Es muss ein ehrlicher Diskurs in der Partei stattfinden, an dessen Ende mehr als ein einfaches Ja oder Nein zu diesen Fragen steht. Wir müssen unsere Experten schulen und vernetzen und dabei von ihren Ideen und ihrem Input profitieren. Das Internet wird in den nächsten Jahren ein Schlachtfeld sein und man kann im Ukraine-Konflikt sehen, wie das Internet und soziale Netzwerke genutzt werden, um Informationen und Meinungen der Konfliktparteien gezielt an den Mann und die Frau zu bringen. Selbst die ISIS im Irak hatte einen Twitteraccount und nutzte das Netz für ihre Botschaften. Wir PIRATEN brauchen ein argumentatives Gerüst und eine analytische Matrix, um politische Prozesse zu analysieren und sie fruchtbar in die Partei einzubringen. Hier gibt es noch viel zu tun und wir müssen nach Halle die Zeit der Lähmung beenden und uns klar mit diesen Fragen beschäftigen, wenn wir als Partei ernst genommen werden wollen. Wir müssen um diese Fragen in der Sache ernst und leidenschaftlich, aber im Miteinander nicht verletzend streiten und diese Fragen für die Partei beantworten. Junge Menschen in anderen Staaten schauen auf uns PIRATEN, welche für sie die Partei ihrer Generation sind, wie wir diese Fragen beantworten, weil es sie beschäftigt. Gerade in einem zusammenwachsenden Europa, wo es viele neue Fragen zu lösen gilt, wird uns vorgeworfen, dass wir nicht Politik können, weil wir auf diese Fragen keine Antworten haben, und da, wo wir Antworten haben, bringen wir sie nicht richtig in die Köpfe. Die Ukraine und Russland sind Fragen, die uns weiter beschäftigen werden, und genauso die Frage, wie Europa aussehen soll. Lasst uns dazu Antworten suchen!
About Schoresch Davoodi
Schoresch Davoodi 30. Juni 1981 geboren. Studium der Politikwissenschaften und Geschichte in Bochum. Publikationen für die EPU in Stadtschlaining (Österreich). Interesse an Politik allgemein und Außenpolitik im Besonderen. Ich bin sozialliberal Eingestellt. Privat spiele ich Shadowrun und Blogge.
Kommentare
6 Kommentare zu Zeiten ändern uns! – Warum Außenpolitik für PIRATEN wichtig ist
Jede freie Demokratie hat das Recht, ihre Politik selbst zu gestalten und man kann ihr nicht zumuten, dass sie Rücksicht auf die Grossmachtsgelüste von autoritären Nachbarstaaten nimmt. Da Russland einen wichtigen internationalen Vertrag mit der Ukraine gebrochen hat und der Ukraine die Krim geraubt ist, ist verständlich, dass die Ukraine der russischen Regierung nicht mehr traut und sich militärisch aufrüsten will und Verbündete gegen diese russische Bedrohung sucht. Noch vor kurzem hat Herr Steinmeier im Bundestag gesagt, dass Russland sich an Lieferverträge halten würde und deshalb die Gaslieferungen sicher seien; auch daran hält sich Russland nicht mehr. Erst muss die russische Regierung beweisen, dass wir ihr wieder vertrauen können; also die unrechtmässige Besetzung der Krim rückgängig machen, die geraubten Kriegsschiffe und andere geraubte Güter wieder an die Ukraine zurückgeben und strikt alle Verträge einhalten. Wenn die russische Regierung Vertragsänderungen wünscht, muss sie sich wie alle zivilisierten Menschen an den Rechtsweg halten und Verhandlungen führen und demokratisch legitimierte Volksentscheide herbeiführen, wie es gerade die Schotten bewiesen haben. Wenn wir der russischen Regierung im geringsten ihre schweren Rechtsbrüche durchgehen lassen, werden andere Staaten folgen.
Sehr fundierte Analyse des Ukraine Konflikts und gute Analyse der Piraten. Man muss nicht in allen Punkten übereinstimmen, trotzdem ist es ein sehr guter Artikel.
Gerne mehr!
Die Piraten müssen sich um die Kernthemen kümmern und sonst garnix. Die Ukraine gehört sicher nicht dazu. Kernthemen, Kernthemen, Kernthemen. Das will der Wähler. So geht es wieder aufwärts. Ein marktwirtschaftlicher Programmreset, raus mit dem ganzen Ponyhof-Berlin-Quatsch, und dann eine vernünftige liberale Politik, Steuern senken, Leistungsträger fördern, und Bürokratie abbauen für das digitale Zeitalter! Nix “Außenpolitik”!
pirat 2.0 mit solchen hinterwaeldler kommentaren vertreibst du leider an der aussenpolitik der PIRATEN interessierte. schade!
@piraten2.0: Wie kommst du darauf, dass Wirtschaftspolitik ein Kernthema der Piraten ist? Ich wünschte, sie wäre es, weil es einfach ein elementares Thema für jede Partei ist, wenngleich auch nicht mit Slogans wie “Steuern senken”, mit denen schon die FDP eine Bauchlandung hingelegt hat. Aber schau mal ins Parteiprogramm, was du da zur Wirtschaftspolitik findest. Und im übrigen sollten die Piraten auch zu anderen Themen eine Meinung haben, auch wenn sie diese nicht als Kernthemen beackern. Wenn also jemand ein bisschen Bildungsarbeit leistet, kann das nur gut sein. Wir müssen uns deswegen nicht als außenpolitische Experten positionieren.
“In demokratischen Staaten machen die Menschen des Landes die Politik.” Wie heißen diese Staaten? Und sind das dann alle Menschen des Landes oder nur die wenigen Menschen, die etwas zu verlieren haben?
Ich drücke meine Meinung mal so aus: “Ein bisschen Putin täte unserer Demokratie in Europa sehr gut, deshalb sollten wir zumindest partnerschaftlich Denken. Wir sind nicht Amerika oder Israel sondern Leben in einem Land, welches besonders positiv erhört wird, wenn es deren Politik und deren Eigeninteressen uneingeschränkt fördert. Auch in diesem Bericht wird deutlich, welche Medien uns diese Interessen nahezu kritiklos vermitteln. Es sind sehr viele Medien und selbst Hollywood und große Teile der Kunst oder der Bildung prägt die Menschen in diesem Punkt schon seit langem kräftig mit. Ich will dass wir Russland mit ihrem Putin genauso achten, wie Amerika, Israel oder China und der Iran. Wer die Abfolge der Ukraine-Kriese schon länger beobachtet hat, der konnte erkennen, dass einiges sehr einseitig von den Medien publiziert wurde. Der Westen hat meiner Meinung nach, von Anfang an die Destbilisierung der Ukraine gefördert und nein es machten nicht die Menschen die Politik, welche besonders demokratisch gewesen sind.
Ich denke bevor man eine Ukraine in zwei Stücke auseinanderreisst und wiedermal eine Mauer errichten will, sollte die Ukraine ein selbstbestimmtes neutrales Land, ähnlich der Schweiz in ihren Anfängen, sein. Und genau dies können die Piraten fördern.
Im übrigen, ein uns von unseren Freunden auferlegter Streit mit Russland schadet dem Weltfrieden, aber es schadet zudem in erster Linie uns und unseren Wirtschaftlichen Beziehungen und genau das soll so sein und ist ebenfalls undemokratisch so gewollt bzw. herbeigeführt worden. Wir sollen grundwasservergiftendes Fracking in Europa praktizieren statt die Gasleitung nach Russland zu nutzen. Der Bau der kostspieligen Gasleitung war hingegen ganz Ok, denn er passte wohl sehr gut in die Schuldenpolitik hinein.
Ich bin absolut nicht für eine uneingeschränt agierende Weltregierung. Wenn einer die Welt führen darf, dann darf das nur aus partnerschaftlichen, aber auf keinen Fall aus militärischer Überlegenheit geschehen. Leider sehen diese Gefahr viel zu wenige und somit konnte diese Überlegenheit schon viel zu weit fortschreiten das soll aber nicht heißen, dass wir noch eine Partei brauchen, welche ihr Fähnchen nach diesem Wind ausrichtet.
Ansonsten ist nach dem bewahren von Frieden die Innpolitik natürlich viel interessanter für die Menschen vor Ort. Wer setzt sich für unsere Selbstbestimmung ein? Ein großer Beitrag ist die Umsetzung des Bedingungslosen Grundeinkommens, zudem sollte wenigstens der Durchschnittsverbrauch an kostenlosem Trink-Wasser, ein Grundnahrungsmittel und Grund-Energie zur Verfügung stehen. Für Ökonomisches Handeln muss mehr geworben werden. Die Macht des einzelnen, welche Produkte er fördern möchte und welche nicht muss noch mehr in den Vordergrund gerückt werden, zumal die Industiellen Nahrungsmittel die Krankmacher erster Güte sind. Es gibt sehr sehr viel zum Wohle des einzelnen und das wichtigste ist die Förderung und der Schutz seines eigenen Willens, damit er nicht zum Sklave mutiert.
In den Systemen in denen wir uns bewegen läuft soviel gegen uns gerichtet, da brauchen wir weder zu schauen was Korea tut noch sonst wer. Es würde völlig ausreichen unser System nach den freiheitlichen Bedürfnissen des einzelnen (natürlich aus der Gruppe der Mehrheit) auszurichten.
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