
Transistorradio Reela Jumping (Frankreich 1959) | CC BY Michael Renner
Der Verein Digitalradio e.V. hat sich auf die Fahnen geschrieben, Digitalradio als “Radio der Zukunft” in Deutschland zu etablieren. Seit der Erfindung und Erprobung digitaler Radiostandards konnte sich die neue Technik aber nicht durchsetzen. Jetzt soll die zwangsweise Abschaltung der alten Technik der neuen zum Durchbruch verhelfen.
Radio auf UKW gibt es seit den späten 40-er Jahren. Vorangetrieben wurde diese Entwicklung vor allem von Deutschland. Dabei spielte der Wunsch nach Innovation im kriegszerstörten Deutschland sicher die geringste Rolle. Aber die knappen Sendefrequenzen auf Mittelwelle, damals “state of the art”, bekamen nach 1945 vor allem die Staaten zugeteilt, die den Krieg gewonnen hatten. Bei der Suche nach Alternativen zur Mittelwelle wurde der UKW-Rundfunk ersonnen. Bei der Gelegenheit wurden die Standards der 1920-er Jahre gleich über Bord geworfen und damit die Chance auf eine bessere Klangqualität genutzt. Die neue Technik ließ die alten Empfänger der 30-er und 40-er Jahre schnell altaussehen und trat ihren Siegeszug an.
Das neue Sendeverfahren, im englischsprachigen Raum “FM” (von Frequenzmodulation) genannt, erwies sich als zukunftssicher. Denn ohne dass betagtere UKW-Radios darunter leiden müssten, kam im Lauf der Jahre der Stereoton dazu, der Verkehrsfunk, sogar die Übertragung digitaler Daten mit RDS. Egal welche Innovationen die Technik brachte: Ein vorhandenes Gerät konnte einfach weiter genutzt werden. Allerdings änderte sich die Nutzung selbst. War bis in die frühen 60-er Jahre das Radio das zentrale Möbelstück, um das sich die Familie abends versammelte, wurde das Radio mehr und mehr an den Rand gedrängt: Als Radiowecker, zur Beschallung für den Arbeiter am Fließband, im Auto und auf Reisen. In diesen Bereichen aber konnte sich das Radio behaupten. Aus heutiger Sicht lässt die vom UKW-Radio gebotene Qualität zu wünschen übrig, doch Konzerte und ähnliches hört man ohnehin von CD und nicht als Liveübertragung.
Digitale Rundfunkverfahren versprechen dem Radiohörer einige Innovationen: Perfekte Klangqualität, weniger Platzbedarf im Frequenzspektrum und deswegen zusätzlichen Platz für weitere Sender, größere Reichweite und neue Möglichkeiten Sender auszuwählen. Dass fast niemand die digitale Technik nutzt und kennt, hat einen einfachen Grund: Die bisherigen Geräte können dafür nicht genutzt werden, es ist eine Neuanschaffung notwendig. Aber die digitalen Empfänger, mehr Computer mit angeschlossener Antenne als Radios, sind teurer als die analogen Geräte und können ihre Vorteile dort, wo sie eingesetzt werden, oft nicht ausspielen. Dazu kommt ein gewisses Grundmisstrauen bei denjenigen, die sich mit den Details der neuen Technik beschäftigten. Während Omas Dampfradio noch heute spielt, sind die Innovationszyklen beim digitalen Radio deutlich kürzer. Die frühen Standards DAB, DRM und DMB sind heute schon wieder Vergangenheit. Wer ein Gerät kaufte, musste es oft entsorgen, da die Möglichkeit eines Updates nicht vorgesehen war. Wie lang DAB+, angeblich das Verfahren der Zukuft, genutzt werden wird, ist offen. Dazu kommt die Befürchtung, dass einzelne Sender ihre digitalen Signale verschlüsseln könnten, um so den Hörer zur Kasse zu bitten. Aber auch für Urlauber bringt die Festlegung auf eine einzige Technik Nachteile: Anders als beim UKW-Rundfunk nutzen unterschiedliche Länder verschiedene Verfahren. Digitale Geräte aus den USA, der Schweiz oder Norwegen würden hier stumm bleiben – auch im Auto auf der Autobahn.
Die zwangsweise Einführung des digitalen Rundfunks würde von heute auf morgen einen gigantischen Müllberg produzieren. Von der alten Musiktruhe über den Radiowecker bis zum Autoradio würde dort alles landen, das nach 2025 nichts mehr empfangen kann. Tatsächlich dürfte diese Zwangsverschrottung nur in wenigen Fällen zum Neukauf eines digitalen Radios führen. Im Zeitalter des WLAN und LTE gibt es tatsächlich Alternativen – und die Geräte dafür sind bereits vorhanden. So würde UKW zu einer rauschenden Ödnis, mit toller neuer Technik, der jedoch die Hörer fehlen!
Gelegentlich muss der Gesetzgeber eingreifen, falls sich sinnvolle Neuerungen nicht durchsetzen. Der Sicherheitsgurt und der Schutzhelm sind Beispiele dafür. Digitales Radio gehört nicht dazu. Ähnlich wie beim Leistungsschutzrecht und dem Meldegesetz von 2012 bliebe der Verdacht, dass ein Gesetz einzig dazu dienen soll, jemandem die Tasche zu füllen.
About Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervor ging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites grosses Hobby, den Amateurfunk, investiert.
- Web |
- More Posts (485)
Kommentare
2 Kommentare zu Verordnet Berlin die digitale UKW-Ödnis?
Das Digitalradio wird genau so eine Totgeburt DVBT, das sogenannte “Überallfernsehen” dass heute zahllose Menschen dazu verleitet sich Empfänger dafür zu kaufen um dann festzustellen daß es garkeinen Empfang hat am Wohnort. Fährt man dann ca 20km und findet endlich einen Platz wo Empfang möglich ist kommt die stolze Liste der verfügbaren Sender: ein dutzend öffentlich rechtliche mit dem bekannt zeitlosen Inhalt der schon immer dazu geeignet war und nach wie vor ist, die meisten Zuschauer zum sofortigen umschalten zu animieren. Radio und Fernsehen werden in unserer Gesellschaft falsch interpretiert. Sie sind die Stimme die jeder, überall hören soll, und somit die Verbindung des Staates zu seinem Volk. Unser Staat schneidet sich hier die eigene Leitung ab und wird so in eine Situation geraten nichtmehr und nie wieder wirklich alle erreichen zu können ! Es fing an mit der leidigen Abschaltung der Lang- und Mittelwellensender, denen man mit unbekannten Verfahren angedichtet zuwenige Hörerschaft vorwirft. Sind aber nicht genau die das einzigste Medium dass man weltweit und unzensierbar mit einfachsten Mitteln empfangen kann? Sind sie nicht unsere Stimme in der Welt? Was ist mit den Hörern in fernen Ländern oder Urlaubern die in ihre teils wirklich teuren Weltempfänger lauschen um ein Programm in deutscher Sprache hören zu können? Immerhin ist die “Deutsche Welle” ja über Internet empfangbar, kein Problem. Vor allem auf See und in der Wüste… Begründet wird das mit zu hohen Kosten. Sender werden nicht repariert sondern einfach stillgelegt. Ich fände es sinnvoller die fünfstelligen Einkommen der Verantwortlichen zu kürzen und gesetzlich zu garantieren daß jeder Deutsche einen Anspruch auf deutschsprachigen Rundfunkempfang hat, und zwar auf Lang- Mittel- Kurz- und Ultrakurzwelle. Wenn wir uns das wirklich nichtmehr leisten können, was denn bitte dann, ein “Technikmuseum” für mehrere Millionen Euro das von jedem Eintritt verlangt? Unser einst so stolzes Land steuert mit Vollgas auf einen geitigen Bankrott zu, die einfachsten selbstverständlichsten Dinge werden achtlos verworfen, zugunsten von Neuheiten die bereits unwiederufbar belegt haben daß sie weder zuutbar noch zukunftsfest sind. Es wird ein Vacuum geben, also eine Zone in der die Rede unserer Kanzler/in nichtmehr gehört wird weil man kein Radio mehr hat. Und die frei werdenden Frequenzen werden dann von Ländern belegt deren Medieninhalte nicht unbedingt mit unserem Gedankengut übereinstimmen, sie finden aber zahllose Hörer bei uns da es außer dem deutschsprachigen Kulturprogramm keine Alternative gibt. Es ist ohne zu wanken vergleichbar mit den beinahe täglichen Meldungen über erwirtschaftete Überschüsse unserer Krankenkassen, was von Menschen wahrgenommen wird die schon seit Jahren mit großen Zahnlücken herumlaufen da die Behandlung nichtmehr finanzierbar ist.
Und zu allerletzt: Es wird immermehr sogenannte Protestwähler geben, auf deren Ärger dann Politiker an die Spitze getragen werden die dort einfach nicht hingehören. Wollen wir das wirklich? Stimmen SIE bitte mit darüber ab! Und lasst uns bitte unsere Radios ! Ich möchte bitte beim Angeln wieder fernsehen können. Früher, als die Welt noch in Ordnung war, ging das, es war technisch kein Problem.
nette Grüße M. Mehlhose
Bravo, Ich hätte esnicht treffender sagen können! Und jetzt das Dilemma mit DLF und DLRKultur – anstatt das Alleinstellungsmerkmal auf LW und MW zu nutzen, versucht man den Hörer zum Kauf von mehreren Digitalradios zu zwingen, ja mehrere, denn ich habe ja auch mehrere Zimmer im Haus! Und was nutzen mich die angeblihen Vorteile auf den Bildschirmen dieser Radios? Ich habe mir am Anfang aus reiner Neugier bei meinem Neuerwerb Technisat Digit 500 mal angesehen, was da so alles mitgesendet wird. Aber ich will Radio hören, und keinen vierten oder fünften Minifernseher, der Standbilder aus dem Studio liefert, die mich nicht interessieren und die ich nicht sehen will, weil ich HÖREN will. Zum SEHEN setze ich mich vor den Fernseher! Ich kann es nur mit Herrn Sarrazins Worten sagen: Deutschland schafft sich ab! Recht hat er! Gute Nacht, Deutschland (Radio)!
Es können keine neuen Kommentare mehr abgegeben werden.