
Klagemauer in Jerusalem | CC BY SA 2.0 Ana Paula Hirama
Der SPIEGEL berichtet, dass Israels Botschafter vor dem neuen Antisemitismus in Deutschland warnt. Angela Merkel verurteilte den Antisemitismus, der auf den Demonstrationen vor den Augen der Öffentlichkeit propagiert wurde. Der TAGESSPIEGEL meldete, dass Bundespräsident Gauck den Juden in Deutschland Beistand zusicherte. Er forderte die Bürger in einer Ansprache zu mehr Zivilcourage auf.
In der ZEIT schrieb der Antisemitismusforscher Benz, dass sich ein Anstieg des Antisemitismus in der Gesellschaft aus wissenschaftlicher Sicht nicht bestätigen lässt. Auf der anderen Seite lassen sich die in den letzten Wochen auf Synagogen geworfene Molotowcocktails auch mit wissenschaftlichen Methoden nicht weg diskutieren.
Benz weist allerdings darauf hin, dass Kritik an Israel nicht per se Antisemitismus ist. Dies werde aber von den gesellschaftlichen und politischen Eliten in Deutschland, aber auch in Israel so wahrgenommen. Maersheimer und Walt berichteten in ihrem Fachbuch „Die Israel Lobby“ von verschiedenen Gruppen in den USA, welche erheblichen Einfluss auf die US Politik ausüben, damit die USA eine einseitige Rolle auf Seiten Israels im Nahostkonflikt einnehmen. Beide sind Anhänger des außenpolitischen Realismus und kritisierten, dass die USA mit ihrer Versteifung auf Israel ihre eigenen außenpolitischen Interessen im Nahen Osten für die Interessen Israels opfern.
Dies kann man auch auf Deutschland beziehen. Die Merkelsche Doktrin, dass die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsräson gehört, wird in anderen EU-Mitgliedsländern nicht verstanden, da viele EU Staaten gerne eine differenzierte Politik zu Israel betreiben würden. So hat die EU beschlossen, dass Waren, die aus den Siedlungen in den besetzten Gebieten kommen, besonders gekennzeichnet werden müssen. Dies sorgte für Kritik in Israel. Einige israelische Politiker sahen bereits hier einen steigenden Antisemitismus in der EU und den europäischen Institutionen.
Außenpolitischer Realismus?
Wenn man der Theorie des außenpolitischen Realismus anhängt, kann man nur erstaunt über die deutsche Einstellung zu Israel sein. Gerade jetzt, da die Obama Administration ihr Verhältnis zu Tel Aviv überdenkt und mit dem Iran nun gegen den Willen Israels verhandelt, steht Deutschland zunehmend isoliert da. In der deutschen Öffentlichkeit wirken die Militärschläge Israels gegen die Hamas wie der Kampf zwischen David und Goliath. Der Beschuss einer Schule in Gaza durch israelische Raketen wurde auf einigen der Demonstrationen wegen der vielen Opfer hart kritisiert. Die “offizielle” Politik weist darauf hin, dass die Hamas ihre Raketenbasen mit Vorliebe in der Nähe von Schulen und Krankenhäusern betreibt, was sie erst zu Zielen israelischer Angriffe macht. So treiben kaltblütige Militärstrategen beider Seiten der Auseinandersetzung im Nahen Osten auch in Deutschland einen Keil zwischen die Bevölkerung in und die Regierung.
Berichte, wonach in Gaza die Bevölkerung wegen des einseitigen Embargos Israels gegen den Gazastreifen darben muss, bedienen das ausgeprägte Gerechtigkeitsgefühl vieler Demonstranten zusätzlich. Das Embargo führt gerade in der jüngeren Generation zu mehr Kritik, wobei diese Kritik auch in Israel bei vielen Bürgern geteilt wird. Demonstrationen gegen den Krieg in Gaza finden durchaus auch in Israel statt. Das Internet lässt israelische Bürger zusammen mit anderen gegen die Politik ihrer Regierung sich artikulieren und vernetzen. Vor Jahren, als ein Krieg Israels gegen den Iran bevorzustehen schien, haben israelische und iranische Jugendliche im Netz gemeinsame Solidarität geäußert und gegen die Politik ihrer Regierungen protestiert.
Leider sind in der israelischen Regierung Hardliner in der Mehrheit, was auch bedingt durch das israelische Wahlsystem zustande kommt. Netanjahu und seine Regierung sind nicht an Verhandlungen interessiert, sie haben auch kein Interesse daran, die Hamas in Gaza zu stürzen, da es durchaus wahrscheinlich ist, dass nach der Hamas noch radikalere Kräfte ans Werk gehen. Die Hamas wird auf keinen Frieden eingehen, ohne dass Israel Zugeständnisse macht, da dies der Hamas den letzten Rückhalt in der Bevölkerung nehmen und radikalere Kräfte weiter stärken würde. Die Menschen in Gaza und im Süden von Israel sind die Opfer dieser zynischen Politik durch Israel und die Hamas.
Dies muss und darf kritisiert werden. Schnell wird dabei der Vorwurf des Antisemitismus laut. In Deutschland genügt oft schon der Verdacht des Antisemitismus, um das Ansehen und die Karrieren einer Person zu zerstören.
Kritik an Israel ist ein Tabu der deutschen Politik
Dieses Tabu versperrt einen klaren Blick auf den Nahostkonflikt. Diesen Zustand machen sich kleine radikale Parteien zunutze, die die Kritik am Krieg in Gaza aufgreifen und für sich ausnutzen. So schimpft die extreme Linke im Chor mit der extremen Rechten gegen Israel und “das Judentum” an sich, während die AfD eines ihrer Lieblingsthemen, den angeblich aggressiven Islam, im Wahlkampf in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ein weiteres Mal zum Thema macht. Dabei punktet sie bei denen, die ein dumpfes Gefühl des “nicht verstanden werden” pflegen. Jedes von Frau Merkel weggelächelte Opfer dieses Krieges bestärkt dieses Gefühl jedoch. So wird der fehlende Mut zu ehrlichen Worten unter befreundeten Staaten auch eine Gefahr für unsere Demokratie. Dass Islamophob auftretende Parteien wie die AfD und “Die Freiheit” dabei kein geschlossenes Weltbild bieten, stört die Masse ihrer Anhänger nicht. Letztlich applaudieren diese Parteien auch nicht wirklich Israel, auch ist die Zustimmung zu Israel nicht als Toleranz für eine Religion zu werten. Es ist vielmehr die Zustimmung zu einem vorgeschobenen Posten des Westens im Nahen Osten, welcher mit allen Mitteln geschützt werden soll. Für diese Strömungen in der deutschen Gesellschaft, welche sich gegen eine „Überfremdung“ und „Islamisierung“ von Deutschland einsetzen, ist die militärische Stärke Israel ein Vorbild. Gerade auch in Bezug darin, wie Israel alles unternimmt und unter Ausschluss der arabischen Bevölkerung im eigenen Land alles daran setzt, seine Identität zu wahren.
Was können wir PIRATEN machen?
Wir müssen auf diese Mechanismen hinweisen. Wir müssen Antisemitismus bekämpfen, wo er real auftritt, und uns mit anderen Gruppen zusammen tun, die gegen Antisemitismus eintreten. Gleichzeitig müssen wir aufklären und hinweisen, dass nicht überall, wo die Medien und politische Interessenvertreter Antisemitismus vermuten, auch wirklich Antisemitismus vorhanden ist – oder, um es mit Theo Sommer von der ZEIT zu sagen: Mitleid ist kein Antisemitismus.
Unsere Generation wünscht sich einen weniger schrillen Politikbetrieb und mehr Konzentration auf Sachthemen. Dabei wünschen wir uns neue politische Rituale, weil wir uns mit den bestehenden nicht identifizieren. Wir PIRATEN müssen aufklären und zeigen, dass es Antisemitismus in dieser Gesellschaft gibt, aber nicht unbedingt dort, wo politische und gesellschaftliche Eliten ihn verorten. Wir müssen darauf hinweisen, wenn gesellschaftliche Interessengruppen Lobbyismus betreiben, um Interessen anderer Staaten, welche selbst im eigenen Land kritisiert werden, in Deutschland vorantreiben. Dabei werden wir mit ziemlicher Sicherheit kritisiert werden, weil wir damit an gesellschaftlichen Tabus rütteln. Doch Tabus sollen auch immer wieder hinterfragt werden. Wir PIRATEN müssen diese Debatte um den Antisemitismus in Deutschland aufgreifen und darauf hinweisen, dass das Tabu der Kritik an Israel gerade einen dumpfen Antisemitismus schürt.
Unter Mitarbeit von Michael Renner.
About Schoresch Davoodi
Schoresch Davoodi 30. Juni 1981 geboren. Studium der Politikwissenschaften und Geschichte in Bochum. Publikationen für die EPU in Stadtschlaining (Österreich). Interesse an Politik allgemein und Außenpolitik im Besonderen. Ich bin sozialliberal Eingestellt. Privat spiele ich Shadowrun und Blogge.
Kommentare
7 Kommentare zu Neuer Antisemtitismus in Deutschland?
Nur Sklaven brauchen Nationen, Faschismus entspringt dem WIR Empfinden, denn es führt zu die anderen, das ist ein alter hut, wer nicht arbeitet soll auch nicht essen, wer nichts zu verbergen hat hat nichts zu befürchten, alles der selber mist willfähiger systemlinge
Seit Jahrzehnten werden die Probleme im Nahen Osten immer grösser und die kriegerischen Auseinandersetzungen immer grausamer. Wir müssen endlich eine Lösung erarbeiten, die den Konflikt dauerhaft löst. Also eine Friedenskonferenz wie zur Beendigung des 30 jährigen Krieges, mi dem Ziel für alle Menschen in dieser Region menschenwürdige Lebensbedingungen zu schaffen. Mit Pipelines Wasser in die Wüstengebiete pumpen, damit dort Permakulturen angelegt werden können und Millionen Menschen dort leben können. Es gibt Sonnenenergie im Überfluss in diesen Ländern. Also Solarkraftwerke installieren, deren Strom auch an Europa verkauft werden kann. Europa liefert im Gegenzug Waren und alles benötigte know how in diese Länder. Wir haben die jahrhundelangen blutigen Kriege in Europa beendet und aus Erbfeinden wurden Freunde. Warum sollte solch eine Entwicklung nicht auch im Nahen Osten möglich sein ? Also nicht immer dieselben Diskussionen wie seit Jahrzehnten führen, die nie etwas gebracht haben, sondern Lösungskonzepte entwickeln und energisch daran arbeiten, sie zu verwirklichen.
“Aber nicht unbedingt dort, wo politische und gesellschaftliche Eliten den Antisemitismus verorten?” Das würde ja bedeuten dass Antisemitismus hauptsächlich als politisches Werkzeug gebraucht würde. Und wie wäre die Welt zu lenken ohne ihn? Undenkbar! Was wäre wenn Wolfgang Eggert uns auf die richtige Spur geführt hat, wenn er feststellt, dass die Eliten jede systemische Kriese dazu nutzen um die Welt nach der biblischen Apokalypse auszurichten; – mit auch deshalb, um den traditionellen Glauben überhaupt noch aufrecht erhalten zu können? Es gibt immerhin schon einige Aufklärer wie David Icke oder auch Alex Jones, welche auf die Gefahren einer “Eine Weltordnung” hinweisen. Eine Welt, eine Tradition, ein Führer und eine Kultur, das kann doch wohl keiner wollen.
Wenn Kriege legitim sind, wie legitim ist es dann Menschen gegeneinander aufzubringen, Gruppen zu infiltrieren, zu diffamieren, Konflikte zu konstruieren, welche es in Wirklichkeit gar nicht gäbe?
Der eine schaut zu weit nach Links, der andere schaut zu weit nach Rechts, aber sollten wir denn nicht alles im Auge behalten und diesen sogenannten Eliten und Weltenlenkern gemeinsam auf die Finger schauen und alle gemeinsam deren verborgenen Machenschaften aufdecken? Ich bin der Meinung: Ja, denn welche Mittel stehen den untergeordneten Menschen sonst noch zur Verfügung?
Es gibt einige Juden und Halbjuden, welche sehr kritisch die Weltpolitik beobachten und sie auch offen legen. So hat Christian Anders die Ringwurmkinder zum Thema gemacht. Bei diesen Menschen-Versuchen an jüdischen Kindern wollte die jüdische Obrigkeit wissen, wie atomare strahlen wirken. Interessant ist auch, wer solche und andere, aus meiner Sicht sehr verwerfliche, Projekte finanziert. Und als, meiner Meinung nach verwerfliches, Wissen aufbewahrt. Es muss also eine kleine Gruppe in höchster Machtposition geben, welche absolut keine Moral oder innere Hemmungen kennen oder zumindest eine sehr schizophrene Lebensweise haben müssen. Aber genau diese Doppelmoral, welche in sehr abgeschwächter Form je nach Prägung auch in mir / uns zu finden ist, richtet unsere Welt zu Grunde bzw. auf ein sehr tiefes Level. Systeme haben Sinn, die Frage ist nur, zu wessen zweck sie ausgerichtet sind. Wem sie dienen und ob sie Systemverbesserungen zum Wohle aller Lebewesen zulassen und auch ausführen!
Neulich kam ich mit zwei Jungen Menschen aus Israel ins Gespräch, sie machten keinen sehr religiös oder politisch besonders geprägten Eindruck, den Krieg den sie live mitkriegen, mögen sie nicht. Obgleich sie mir diese Aussage, für mich, entschlossen, aber erstaunlich gelassen zu mir rüber brachten.
Was bitte ist ein “Halbjude”?
Jetzt aber mal halblang. Die juedische Diaspora in Deutschland und im uebrigen Europa hat mit den kriegerischen Vorgaengen zwischen Israel und Palaestina absolut nichts zu tun. Schon deshalb darf sie nicht mit irgendwelchen Pauschalvorwuerfen konfrontiert werden. Geschieht dies doch, muss man sich darauf konzentrieren, aus welcher Ecke dies kommt und entsprechend konsequent dagegen vorgehen. Unter gar keinen Umstaenden darf sich ein europaeischer Staat hingegen in diesen Konflikt militaerisch engagieren – dies ist und bleibt seit 1948 ein Problem der Israelis und Palaestinenser. Wenn nun Angela merkel verkuendet, die Existenz Israels sei fuer Deutschland “Staatsraison”, dann muesste sie auch sagen, was das dann bedeutet: Kampf deutscher militaerischer Einheiten Seite an Seite mit Israel gegen Palaestina ?? Das wird doch wohl niemand wollen – weder in Deutschland, noch in Israel. Ausserdem ginge es gar nicht – wegen der Zugehoerigkeit Deutschlands zur NATO. Also sollte man mit solchem Wortgeklingel, das vielleicht schoen klingt, aber nicht viel wert ist, vorsichtig sein.
Halbjuden? Na ja so wie ich Christian Anders Sinngemäs in Erinnerung habe nannte er sich sozusagen selbst so: “ich bin also selber ein Halbjude wenn man so will, weil mein Vater jüdischer Abstammung war und meine Mutter deutsch war. Ich weiß also wovon ich spreche.” Den genauen Wortlaut findet man in seinen Vielzähligen Videos. Im übrigen vertritt er die reine buddhistische Lehre, also nicht die des Dalai Lamas. Eines seiner Hauptanliegen ist alle Religionen in ihrem Kern zu vereinen, weil Kriege auch viel mit Religion zu tun hatten und haben. Ich beobachte seine Beiträge schon länger und musste schon des öfteren erkennen, dass er oft seiner Zeit weit voraus ist, die Herrschenden reflektiert und nicht nach unten tritt. Zum Glück gibt es noch einige andere, welche eine gute Recherche betreiben. Denn Krieg ist Krieg und Frieden ist Frieden. Friedenstruppen ist der Wolf im Schafspelz. Die Sprache sollte im wesentlichen erhalten bleiben. Im eigentlichen Sinne empfinde ich Antisemitismus ein blödes Thema, weil es weder eine endgültige Definition dafür gibt, weil es leicht zu Missverständnissen führen kann und weil wie in der Einführung zu verstehen ist, sich viel Politik dahinter verbirgt. Nichts desto trotz wer auf dieses Thema steht der braucht sich nur intensiv in dem Massenmedien umzuschauen, denn dort wird vieles Wiedergekäut, während parallel dazu viele neue kriegerische Konflikte geschürt werden. Mir persönlich bringen solchen finanzgesteuerten Medien mittlerweile nur noch selten etwas. Denn die Updates von Mensch zu Mensch, welche im Übrigen gar nicht mehr so leicht zu bekommen sind, bringen ganz andere Ergebnisse zu Tage und fördert wie von selbst ein offenes Miteinander.
Keine Lösung des Konflikts ohne eine gerechte Zwei-Staatenlösung. Keine Zwei-Staatenlösung ohne starken Zwang von außen – auf Israel (die Palästinenser sind ja nicht gegen eine Zwei-Staatenlösung).
Bilaterale Verhandlungen zwischen Israel und Palästina bringen nichts, wer etwas anderes sagt, lügt. Dann besser weiterhin beidseitiger Terror.