„Rock für Deutschland“ – unter diesem recht harmlosen Namen fand am 05. Juli 2014 wieder eines der größeren Rechtsrockkonzerte in Gera, Ostthüringen, statt. Dabei geht es jedoch nicht nur um Musik. Vor allem durch verschiedene Redner aus den Reihen der NPD besitzt die festival-ähnliche Veranstaltung in der rechtsextremistischen Szene einen hohen politischen Stellenwert.
Bis zu 1200 Teilnehmer erwarteten die zuständigen Polizeibehörden und bereiten sich dementsprechend vor. Doch mit nur knapp einem Viertel davon konnte nicht einmal annährend die Besucheranzahl vom Vorjahr (ca. 700) erreicht werden. Zehn Meter davon entfernt – auf der anderen Seite des Bahnhofplatzes und von einer Sicherheitszone der Polizei getrennt – versammelten sich die Teilnehmer der Gegenveranstaltung.
Neben vielen anderen Organisationen (IG Metall, Theater & Philharmonie Thüringen) und Parteien (SPD, Linke, Grüne) zeigten dort auch die PIRATEN Gera und Unterstützer von anderen Kreisverbänden Präsenz gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Mit etwa 400 Anwesenden insgesamt schrumpfte auch hier die Zahl im Vergleich zum Vorjahr, war aber dennoch die meiste Zeit höher als auf der anderen Seite des Zauns. Mit Grillbuden und Spielestationen hatte die Gegenveranstaltung fast Volksfestcharakter, doch natürlich durften Musik gegen Rechtextremismus und Pfeifkonzerte, um die Auftritte bei den Neo-Nazis zu stören, nicht fehlen.
Auch die Lokalpolitik bekannte sich gegen Rechts. Verschiedene Redner, beispielsweise die Sozialministerin Thüringens und die Oberbürgermeisterin Geras, sprachen sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus aus. Ein Redeslot war auch für Stefan Körner, den ersten Vorsitzenden des frisch gewählten Bundesvorstands der Piratenpartei, geplant. Dieser konnte jedoch wegen einer Unterschriftensammlung für die brandenburgische Landtagswahl in Potsdam erst gegen 17:30 in Gera sein. Zu diesem Zeitpunkt waren leider nur noch wenige Gegendemonstranten anwesend, bei denen seine kurze Ansprache jedoch einen guten Eindruck zu hinterlassen schien.
Die Flaschenpost hat die Gelegenheit genutzt und Stefan Körner zu seinen Ansichten zum Rechtsextremismus und, was man gegen ihn unternehmen kann, befragt.
Flaschenpost: Was kann die Piratenpartei tun, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu setzen? Welche Möglichkeiten wurden eventuell noch gar nicht oder nur kaum umgesetzt?
Kaum oder noch nicht umgesetzte Möglichkeiten existieren wahrscheinlich so gut wie nicht mehr, da wir viele kreative Köpfe in der Partei haben, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Am wichtigsten ist es, dass den Rechtsextremen kein Raum gelassen wird, wie hier auf der Gegenveranstaltung in Gera. Es geht einfach darum, Präsenz gegen Rechts zu zeigen.
Flaschenpost: Auf dem vergangenen BPT in Bochum kam es unter anderem wegen der Antifa-Flagge zu, drücken wir es vorsichtig aus, Diskussionen in der Partei. Wie denkst du, sollte die Piratenpartei zur Antifa-Bewegung stehen?
Stefan: Ich glaube, dass die Antifa eine sehr wichtige Bewegung ist, die den Kampf gegen Neo-Nazis kontinuierlich und hartnäckig führt. Der Fehler in Bochum war es, dass die Flagge den Eindruck erweckte, der Parteitag fände unter der Flagge der Antifa statt. Auch wenn ich die Antifa-Bewegung als wichtig erachte, finde ich, dass die Parteitage der Piraten unabhängig von der Bedeutung anderer Organisationen und ausschließlich unter der Flagge der Piraten stattfinden sollten.
Flaschenpost: Wenn du die Gelegenheit hättest, einen Menschen mit rechtsextremen Vorstellungen vom Gegenteil zu überzeugen, wie würdest du vorgehen? Was würdest du sagen, um aufzuzeigen oder gar nachzuweisen, dass diese Vorstellungen falsch und gefährlich sind?
Stefan: Das lässt sich pauschal nur schwer beantworten, da die Vorurteile und Einstellungen dieser Menschen sehr unterschiedlich sein können. Insgesamt ist es aber immer einen Versuch wert, dass Gespräch und damit die Diskussion zu suchen. Insbesondere bei jungen Menschen hat man oft den Eindruck, dass vieles von dem, was sie sagen, nur das Wiederholen von irgendwelchen rechten Parolen ist. Wichtig ist aber auch der Zeitpunkt und Ort dafür: In Parlamenten arbeiten Demokraten nicht mit Neo-Nazis zusammen, darum ist dort auch nicht der Ort für solche Diskussionen. Das ist etwas für einen eher kleinen Rahmen, wenn zum Beispiel jemand im Bekanntenkreis abzurutschen droht.
Flaschenpost: Wie sollte denn für dich die Aufklärung in der Schule aussehen? Viele Menschen kommen bereits in jungen Jahren mit diesem Thema in Berührung. Wann würdest du mit der Aufklärung beginnen und wie sollte sie aussehen?
Stefan: Ich habe die Befürchtung, dass die Schulen den Bildungsauftrag in Sachen Politik bei weitem nicht so ernst nehmen, wie sie das sollten. Ich denke, dass politische Bildung – besonders an Schulen – eine gute Möglichkeit wäre, Jugendliche für das Thema zu sensibilisieren und bei ihnen das „Denk selbst“ zu stärken. Geschichtsunterricht hat damit nur am Rande etwas zu tun, denn politische Bildung geht weit über das Vermitteln der Vergangenheit hinaus. Zu meiner Schulzeit wurde im Sozialkundeunterricht nur erklärt, wie Parlamente in Deutschland funktionieren. Das ist aber nur das „technische Konzept“ der Demokratie und trägt kaum dazu dabei, die Fähigkeit zur Einordnung von politischen Aussagen und Inhalten zu vermitteln und ist in der Form nicht ausreichend. Das könnte beispielsweise durch Vergleichen von verschiedenen Parteiprogrammen und deren Inhalten erreicht werden.
Flaschenpost: Wie ist der Umgang der Politik mit diesem Thema deiner Meinung nach? Ein Verbot der NPD wurde bereits mehrmals angestrebt. Denkst du, das ist der richtige Weg?
Stefan: Ich persönlich bin mir nicht sicher, ob es am Ende hilfreich und zielführend ist, eine Partei einfach zu verbieten. Das eigentliche Ziel muss sein, Forderungen und Parolen des rechten Rands keinen Nährboden zu bieten. Einige Politiker sprechen sich schon öffentlich dagegen aus; die Lösung des Problems allerdings kann nur durch Aufklärung und Bildung und damit Wissen erfolgen.
Flaschenpost: Der Rechtsruck in Europa hat sich besonders zur letzten EU-Wahl bemerkbar gemacht. Wird damit auch dem Rechtsextremismus der Weg geebnet und siehst du die Demokratie in Europa und Deutschland dadurch gefährdet?
Stefan: Ich sehe den Aufschwung der Rechtspopulisten in Europa durchaus mit Sorge. Er vermittelt den Eindruck, als hätten wir die Probleme mit Rechts nicht nur nicht im Griff, sondern sehen dabei zu, wie sie immer größer werden. Da beruhigt es auch nicht, wenn wir feststellen, dass die Rechten es am Ende nicht geschafft haben, eine Fraktion im EU-Parlament zu bilden. Denn auch wenn der Hass auf alles Mögliche als verbindendes Element nicht zur Fraktionsbildung ausreicht, ist er doch groß genug, um entsprechende Wahlerfolge zu erzielen. Ich glaube, am Ende sind alle demokratischen Parteien gefordert, dafür zu sorgen, dass es in der Gesellschaft keinen Platz für Neo-Nazis gibt.
Flaschenpost: Vielen Dank für das Interview und natürlich für die Unterstützung gegen das Rechtsrockkonzert hier in Gera.

Für Belustigung sorgten ein liegengebliebener Einsatzwagen und tatkräftige Polizisten | CC-BY @sekor
Eine gute Nachricht zum Abschluss gab es allerdings noch – die Veranstalter hielten sich wohl – wieder einmal – nicht an die gegeben Vorschriften und ließen zwei nicht angemeldete Lieder spielen, deren Texte zudem noch auf dem Index standen. Die anwesende Polizei bemerkte das und zog Konsequenzen: Eigentlich bis 21 Uhr geplant, mussten die Rechtsextremisten bereits 19:30 das Konzert vorzeitig beenden.
Doch im nächsten Jahr werden sie es wahrscheinlich wieder schaffen, die Veranstaltung in Gera stattfinden zu lassen. Die PIRATEN werden in diesem Fall natürlich auch anwesend sein und ihren Standpunkt gegen Gewalt und Rassismus und für Vielfalt und Miteinander vertreten. Hoffentlich werden sich auch insgesamt viele Gegendemonstranten wieder daran beteiligen, die dann bis zum Ende bleiben. Schließlich ist nächstes Jahr kein Fußball-WM-Viertelfinale, das bei der vorzeitigen Abreise einiger bestimmt eine Rolle spielte.
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Kommentare
5 Kommentare zu PIRATEN gegen Rechts – Interview mit Stefan Körner
Sehe ich genau so, kenne auch Leute in der Antifa die sich nicht von Parteipolitik instrumentalisieren lassen wollen und daher das Aufhängen von Antifa Flaggen auf Parteitagen eher ablehnen. Denke das man da zwischen Partei und Antifa unterscheiden sollte, da wäre beiden Lagern eher geholfen da zu differenzieren.
Was soll dieses profilneurotische, pubertäre rechts-links-Gesülze? Merkt denn keiner, dass unsere eigentlichen Gegner – die ökonomischen Machthaber, die u.a. an Krieg, Hunger und Armutsflucht in der Welt verdienen – mit der rechts-links-Hetze das Volk nur auseinander dividieren wollen! Ansonsten: Wer das Demonstrationsrecht anderen durch gewaltsame Gegendemonstrationen beschneidet, setzt sich dem Verdacht aus, mit der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Andersdenkenden argumentativ überfordert zu sein und selbst faschistoide Bedürfnisse zu haben! Deshalb auch nur dumpfe Gesinnungsprügel, Pauschalverurteilungen, faschistoide Drohgebärden statt inhaltlicher Argumentation bei König auf die Frage der Flaschenpost: “Was würdest du sagen, um aufzuzeigen oder gar nachzuweisen, dass diese Vorstellungen (der “Rechten”) falsch und gefährlich sind.” Piraten sollten einfach nur den Mund halten und online das Volk befragen, wie demokratisch entschieden werden soll. Mehrheiten sind allemal intelligenter als “linke” und “rechte” Schwätzer! Aber das kriegen Piraten ja nicht einmal bei der eigenen Parteibasis hin…
Der Hau-drauf-Spruch “kriminelle Nazis abschieben” (s. Bild) belegt mal wieder, dass die sog. “Antifa” eine faschistische, deutschenfeindlich-rassistische Randgruppe ist, die aus nostalgischen Alt 68er-Opas und ihren braven Zöglingen besteht, denen sie die Ersatzreligion vom sündigen Deutschen und dem Himmelreich für Gutmenschen in den Kopf gesetzt haben. Eine demokratische Partei, die wie die Piraten nicht einmal im Netz Menschen und Informationen “abschieben” will, um einen demokratischen Diskurs ALLER Meinungen zu führen und auch “kranke”, “kriminelle” Meinungen als Hinweis auf tiefer liegende Probleme in der Gesellschaft nicht unter den digitalen Teppich kehren möchte, sollte sich von einer durchgeknallten “Antifa” deutlich distanzieren!
Ganz so einfach ist das mit der Antifa nicht. Es handelt sich um keine homogene Gruppe sondern um einen eher lockeren Verbund aller möglichen Strömungen. Die gehen von den antideutschen “Deutschland verrecke” Schreiern und den Steineschmeissern bis hin zu engagierten Bürgern, die gegen Rechtsextremismus eintreten. Von aussen lassen sich diese Einzelgruppen nicht auseinander dividieren. Deswegen landen alle, eben von aussen betrachtet, in einem Topf. Trotzdem kann man nicht sagen, dass “die Antifa” durch und durch gewalttätig ist. Dass es dort Gewalttätige gibt, und die als, sagen wir Corpsgeist, gedeckt werden ist ein Jammer!
Ansonsten leistet die Antifa wertvolle Arbeit im Bereich der Aufklärung über rechte Umtriebe, Organisation von Demonstrationen und vielem mehr.
Dass gelegentlich der Eindruck entsteht, die Piratenpartei sei der politische Arm der Antifa sei ist der versuchten Vereinnahmung einzelner Gruppen innerhalb der Antifa zuzuschreiben, die ihrerseits mit Demokratie wenig zu tun hat.
Die Antworten auf das Interview sind, sagen wir, sehr diplomatisch formuliert. Einerseits ist er wohl selbstverständlich gegen militante Neonazis oder diverse kriminelle Auswüchse am rechten Rand. Die Frage mit der Antifa ist eine Zwickmühle, denn allzu oft wird es so dargestellt, als gebe es nur “für die Antifa” oder “für die Nazis”. Entsprechend schwierig ist es daher, im Interview zu sagen, dass das Thema Rechtsextremismus eben auch sehr stark von Linksextremisten instrumentalisiert wird, die diese Erscheinugen als Vorwand für Durchsetzung eigener Machtansprüche mit Gewalt und Einschüchterung nutzen, letztlich für die Errichtung einer Diktatur nach Art der früheren oder noch existierenden, sozialistischen Staaten.
Diese politische Machteroberung hatten sie sich schon als Ziel gesetzt, als die Nazis noch eine fast beliebige Konkurrenzorganisation waren, lange vor Krieg und Holocaust: Faschisten sind die “reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals” (G.Dimitroff 1935); die “Wurzeln des Faschismus” können nur mit Beseitigung des “Kapitalismus” durch die Kommunisten zerstört werden – eine Bedeutung, die auch hinter dem von kommunistischen Häftlingen formulierten, sogenannten “Schwur von Buchenwald” steht, “… Die Vernichtung des Faschismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung …”.
Das Ganze hat sich erweitert; heute sind es eben nicht mehr nur der Kommunismus á la UdSSR und DDR, sondern auch die diversen Spielarten und radikalen Sektierervarianten. Bei Antideutschen ist es fraglich, ob sie überhaupt noch politisch links einzuordnen sind; ihnen scheint es eher um eine eine Antifa-Diktatur mit nur diffusen, kommunistischen Anleihen zu gehen.
Ich könnte das alles jetzt noch länger ausführen, aber man sollte diese Grundlagen kennen, wenn bestimmte Gruppierungen rechtsextreme Erscheinungen als Vorwand für einen Kampf mit allen Mitteln, mit Verleumdunng, Mobbing, Einschüchterung und Gewalt nutzen. Daher halte ich es auch für nicht gut, wenn Leute und Gruppen, die sich aus aus positiver ethischer Haltung gegen Rechtsextremismus wenden, die Bezeichnung “Antifaschismus” bzw. das Kürzel “Antifa” verwenden, teilweise auch Symbole der Extremisten. Damit stellen sie sich an die Seite von Gruppierungen, die im Endeffekt absolut nichts ethisches und vor allem extrem autoritäre bis totalitäre Machtansprüche vertreten. Es wäre besser, wenn sie stattdessen eigene Inhalte dagegen formulierten.
Gerade die auf dem Parteitag in Bochum aufgehängten Fahnen (“Antifaschistische Aktion” und schwarz-rote Fahne) sind ganz allgemein Symbole der gewalttätigen Schwarzen Blöcke (ob sie historisch eine andere Bedeutung hatten, ist hier nachrangig); und genau diese Szene hat ja auch den Piraten zuletzt so viele Probleme gemacht. Davon könnte man sich ruhig deutlich distanzieren und sollte vielleicht nicht auf Allgemeinpositionen zurück gehen und von einer eigentlich “wichtigen” und notwendigen Antifa reden, womit (vielleicht ungewollt) auch die extremistischen und offensiv gewalttätigen Gruppen mit belobigt werden.
Es stellt sich die Frage, bis zu welcher Schwelle die Piratenpartei die Linksaußen noch mittragen will – wenn sie weiterhin Pirantifa und Kader aus der autonomen Szene als Gesinnungspolizei beschäftigen wollte, dann hätte sie ihre Lektion aus den letzten Monaten bzw. Jahren nicht gelernt. Man will nicht alle weiter links stehenden Leute verschrecken, was in gewissem Maße auch vernünftig ist; gleichzeitig muss man aber auch Grenzen zu linksautoritären und offensiv gewalttätigen Gruppen ziehen, die vor allem das Rechtsextremismus-Thema als Hebel nutzen. Daher ist das Interview vielleicht etwas zu diplomatisch – vielleicht ist es aber auch vernünftig so, wenn sich der Bundesvorsitzende, der ja die ganze Partei repräsentieren soll, nicht allzu deutlich gegen bestimmte Personenkreise agitiert.
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