Halle – Stefan Körner ist neuer Bundesvorsitzender der Piratenpartei Deutschland. Der langjährige Vorsitzende der bayerischen PIRATEN erhielt auf einem außerordentlichen Bundesparteitag bei vier Gegenkandidaten 62 Prozent von 1033 gültigen Stimmen. Die sich als Netzpartei verstehenden PIRATEN hatten sich im Februar über Aktionsformen und die politische Ausrichtung zerstritten. Namhafte Parteiaustritte und Rücktritte von Bundesvorstandsmitgliedern folgten und machten die Neuwahl erforderlich.
Körner will die “Streitereien” und den “desolaten Zustand” beenden, die Piratenpartei konsolidieren und wieder zum politischen Faktor machen. So empfiehlt er, Twitter nicht als Diskussionsmedium aufzufassen, sondern den persönlichen Dialog zu suchen. Strukturell soll innerhalb der ersten hundert Amtstage in der “Mitmachpartei” ein “Basisentscheid” eingeführt werden. Die Landesvorstände sollen per Veto einen Beschluss des Bundesvorstandes kippen können. Politisch habe der Whistleblower Edward Snowden den Fingerzeig gegeben, “wo die Demokratie gefährdet ist”. Körner meint, “Demokratie funktioniert nur mit geschützter Privatsphäre, Geheimdiensttätigkeit ist der Sargnagel dazu”.
Programmatisch sieht Körner die PIRATEN gut aufgestellt. Aus den Beschlüssen der letzten drei Jahre könnten Antworten zu tagespolitischen Fragen abgeleitet werden. In Zweifelsfällen könnten innerparteiliche Abstimmungswerkzeuge wie die “Lime Survey” zur Entscheidungsfindung beitragen. Dass die Großparteien inzwischen auch Mitgliederentscheide kennen, sieht Körner als Ergebnis des Wirkens seiner Partei an. Um die Entwicklung zu mehr Beteiligungsmöglichkeiten der Mitglieder an Entscheidungen in den Parteien voranzubringen, sei es die fortgesetzte Aufgabe der Piratenpartei, “die anderen weiter vor sich herzutreiben”. Nach Berlin wird Körner, der bereits sieben Jahre in der Bundeshauptstadt gelebt hat, nicht umziehen müssen: “Die PIRATEN sind die Partei der Netzpolitik und ich habe zuhause in Neumarkt DSL.”
Kommentare
Ein Kommentar zu Körner will Piraten zum politischen Faktor machen
Schöner Artikel, der hoffnungsvoll stimmt. In diesem Parteitag ging es für die Piraten wohl um alles oder nichts – sowohl ein fork() alsauch ein exit(1) wäre denkbar gewesen bzw. lag bereits in der Luft. Der Typ auf dem Bild jedoch kommt seriös und vernünftig rüber, und scheint auch genau das zu sein, wenn ich die kurze Zusammenfassung seiner Ziele richtig interpretiere. Nun wäre es wichtig, sich als Partei auf seine Kernthemen und Kompetenzen zu besinnen – eine Kleinstpartei weit weg von Regierungsbeteiligung muß nicht zwingend zu sämtlichen denkbaren politischen Themen ein Programm zu haben, sondern braucht Glaubwürdigkeit und Authentizität. Es wird aber sehr schwer werden, das verlorene Vertrauen wiederzugewinnen; zu armselig war das Bild, das die Piraten in den letzten Jahren abgegeben haben (was ja durch die Wahlergebnisse deutlich quantifizierbar ist), zu enttäuscht sind der Großteil der einstmals fast 9% Piratenwähler von der jungen Partei mit richtigen und wichtigen politischen Standpunkten, die sich in kurzer Zeit in einen krakeelenden und trillerpfeifenden Mob von Gender- und Bomberharris-Vollpfosten gewandelt hat, die mit politischer Kultur und Seriosität so viel zu tun hat wie eine Milchkuh mit Tiefseetauchen. Jetzt wäre es an der Zeit, die Forderungen nach Aufarbeitung der Angriffe auf die Integrität der Kommunikation unserer europäischen Volkswirtschaften durch unsere transatlantischen “Verbündeten” oder die unfassbaren Vorgänge rund um das kommende Freihandelsabkommen mal um Größenordnungen lauter und penatranter erschallen zu lassen als Forderungen nach Spezialklos für Drittgeschlechtliche im Wert eines Einfamilienhauses.
Ich wünsche den Piraten auf jeden Fall viel Erfolg und ein gutes Händchen für einen Neuanfang nach einer Reinigung. Wenn der neue Kapitän tatsächlich cool ist und sich bei den Piraten jetzt wirklich was ändert, mach ich vielleicht auch wieder mit.
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