Björn Semrau, politischer Geschäftsführer der PIRATEN und laut Geschäftsordnung verantwortlich für den Bereich Themenbeauftragungen, zur Entscheidung Anne die Beauftragung zu entziehen: “Die Grundlage für eine Zusammenarbeit auf dieser Ebene ist Vertrauen. Dieses besteht aufgrund von Annes Verhalten gegenüber dem Bundesvorstand nicht mehr.” Semrau spielt damit auf das Verhalten der Europawahl-Listenkandidatin Helm an, die nach dem #Bombergate zunächst vehement eine Beteiligung abstritt, sich dann jedoch öffentlich zu dieser Aktion bekannte und dafür entschuldigte.
Auf Nachfrage der Flaschenpost erklärte Semrau, dass er sich mit seinen Vorstandskollegen sehr genau habe überlegen wollen, welche mehrheitlich im Gremium tragbaren Konsequenzen zu ziehen seien. Man wolle aber vor allem Anne Helm schützen, die neben massiven Angriffen aus dem rechten Spektrum auch innerhalb der Partei und auf Facebook sehr hart angegangen worden sei. Dies, so Semrau, werde man auch weiter tun, nicht nur für Anne Helm, sondern für alle Mitglieder der Piratenpartei: “Wer von einem anderen Mitglied beleidigt wird, kann sich an seinen Landesvorstand wenden und die Prüfung auf Verhängung einer Ordnungsmaßnahme beantragen.”
Ähnliches hatten Parteimitglieder auch in Sachen Helm getan. Anträge an den Bundesvorstand forderten bereits kurz nach Bekanntwerden der Aktion neben einem Parteiausschlussverfahren (PAV) auch den Verzicht Helms auf das Mandat bei der Europawahl.
Umlaufbeschluss während einer geschlossenen Sitzung im Mumble
In dieser Woche also nun die Entscheidung in einer geschlossenen Mumble-Sitzung des Bundesvorstandes. Dumm nur: Der während der Sitzung im Verwaltungsportal “Redmine” angelegte Umlaufbeschluss zirkulierte bereits vor dem Ende der Abstimmung auf Twitter, sodass nicht nur die Mitglieder der Piratenpartei, sondern auch Anne Helm über den Kurznachrichten-Dienst von diesem Beschluss erfuhr. Semrau hierzu: “Er ist auf Twitter gelandet, bevor wir Gelegenheit hatten, Anne davon zu unterrichten. Wie es dazu kommen konnte, prüfen wir derzeit”, und weiter: “Der Bundesvorstand hat sich im Vorlauf zur Sitzung mit Anne in Verbindung gesetzt, um ihr Gelegenheit zu geben, sich gegenüber dem Bundesvorstand zu erklären und Vertrauen wieder aufzubauen. Anne hat das Angebot zu unserem Bedauern nicht wahrgenommen.”
Vorsitzender Thorsten Wirth, der mit seiner Stimme gegen einen Entzug der Beauftragung gestimmt hatte, erklärte zwei Tage nach dem Beschluss:
“Ich habe keine Zweifel an der persönlichen Integrität von Anne Helm gegenüber den Zielen der Piratenpartei. Sie setzt sich seit langem mit viel persönlichem Engagement für Asylsuchende und eine gerechtere Migrationspolitik ein und vertritt, aufgrund dieses Engagements, die Piratenpartei dabei sehr gut und vor allem auch glaubwürdig. Bzgl. ihrer Beteiligung an der Aktion in Dresden hat Anne ihr Verhalten öffentlich bedauert und sich auch dafür, ebenfalls öffentlich, entschuldigt. Ich sehe keinen Grund an den Beweggründen, die sie anführt um ihr Verhalten zu erklären, zu zweifeln. Das ist nachvollziehbar und wird, in meinen Augen, der Verantwortung, die Anne als Kandidatin auf Listenplatz 5 der Europaliste, gegenüber der Piratenpartei hat, gerecht.”
Das sieht der politische Geschäftsführer Semrau genauso: “Wir sind uns allerdings sicher, dass sie sich als Kandidatin für das Europa-Parlament und als Abgeordnete in der BVV Berlin-Neukölln weiter auf die Themen Asyl und Migration fokussieren wird.”
Helm selbst hat sich bisher noch nicht mit einer Reaktion beim Bundesvorstand gemeldet.
About Harry L. Weber
Ich sehe mich nicht als so politisch kompetent an, dass ich mit anderen über programmatische Dinge debattieren könnte. Das, was ich kann, ist mit Texten umgehen und Informationen zu recherchieren. Deswegen bin ich bei der Flaschenpost. Um Euch Piraten bei Eurer Arbeit zu unterstützen!
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Kommentare
3 Kommentare zu Neuer Themenbeauftragter für den Bereich Asylpolitik gesucht!
Anne Helm wäre weiterhin gut beraten, freiwillig und vorzeitig gemäß §21 Absatz 1 auf eine mögliche Wahl in das EU-Parlament zu verzichten. Denn die Chancen, dass die Piratenpartei bei den Wahlen 5 Mandate erringt, sind verschwindend gering, aber das Risiko von weiteren Angriffen, Vorwürfen und Problemen im Wahlkampf mit ihr als Listenkandidatin weiterhin sehr hoch. Durch einen Verzicht könnte sie und die Partei wieder dringend notwendige Glaubwürdigkeit gewinnen, und sich selbst aus der Schusslinie nehmen. Um in der Asylpolitik wahrgenommen zu werden, benötigt die bekannte Aktivistin und Politikerin nicht wirklich eine Beauftragung oder chancenlosen Listenplatz.
Tut mir leid – für Anne – deren asylpolitische Grundsätze ich teile – und für die Partei, der dieses Verhalten von Anne noch bös vor die Füße fallen wird.
Denn wir stehen doch für den 2.0-Politikstil, der u.a. darauf beruht, dass wir einen neuen, ehrlichen Politikertypus verkörpern wollen. Und da passt es nun mal eben überhaupt nicht hin, dass jemand (TM) Mist baut und dann nur das zugibt, was ohnehin schon – quasi – bewiesen ist.
Die Beweggründe dafür kann ich ja nachvollziehen, die Ursache darf aber nicht vergessen werden. Denn sie wollte provozieren und das hat geklappt. Dass die “Gegenseite” dann nachdem die Aktion öffentlich wurde – was ja wohl auch ihr Sinn war, wozu sonst ein Fotograf – alles daransetzt, die Identität herauszubekommen und ihre üblichen Drohgebährden loszulassen, war doch wohl vorhersehbar. Den so hergestellten Erfolg dann als Rechtfertigung anzuerkennen, ist schon ausgesprochen – mutig.
Wie sollen wir in der Öffentlichkeit glaubwürdig sein, wenn wir nicht konsequent sind gegenüber Mitgliedern, die unsere hochgehaltenen Ideale derart niedrig erachten?
Die Nazis haben die Bombardierung deutscher Städte verursacht. Denn sie begannen damit in Spanien und in England. Grundsätzlich ist die Bombardierung von Städten ein barbarischer Akt und hat zumindest in Deutschland nicht dazu geführt, dass der Krieg schneller beendet wurde. Die Amerikaner haben das wohl immer noch nicht verstanden, da sie dieselben Fehler in Vietnam wiederholt haben. Kriegsverhinderung sollte schon ein wichtiges Thema für die Piratenpartei sein. Wie gehen wir mit dem schweren Vertragsbruch von Putin um ? Schliesslich hat Russland zusammen mit England und den USA die Ukraine garantiert, einschliesslich der Krim. Anne Helm hat wohl etwas ungeschickt eine durchaus nötige Diskussion angefacht. Wir sollten sie also voll unterstützen und akzeptieren, dass sie ihr Verhalten bedauert und in Zukunft wohlüberlegter handeln wird. Also sollte sie auch zu der Europawahl antreten ohne wenn und aber.
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