In den letzten Wochen flimmerte der Blätterwald immer mehr vom angeblichen oder tatsächlichen Richtungsstreit innerhalb der Piratenpartei, befeuert durch zumindest grenzwertig anmutende, öffentlichkeitswirksame Aktionen diverser Piraten mit und ohne Amt, Mandat, Kleidung oder Kandidatur. Auch wenn die veröffentlichte Meinung von einem Flügelstreit zwischen links und liberal spricht (nur weil irgendwann vor längerer Zeit irgendjemand das sehr plakative und einfache Erklärungsmodell links vs. liberal in die Welt gesetzt hat) liegt das Problem wo anders.
Nach Ansicht des Autors geht es hier nicht um einen Konflikt zwischen links und liberal, sondern zwischen radikal und gemäßigt – und dieser Konflikt schwelt schon lange. Zu einem Verständnis der Sachlage gehört erst einmal eine ordentliche Begriffserklärung – die nicht vollständig sein muss, Ergänzungen bitte per E-Mail.
Piradikale sind Personen jedweder innerparteilichen Couleur, die ihre Ziele kompromisslos verfolgen, nicht davor zurückschrecken Gegner zu beschimpfen oder verächtlich zu machen und Grundprinzipien der Partei (Meinungsfreiheit, Basisdemokratie, … ) immer dann ignorieren, wenn es ihnen in den Kram passt. Unter gemäßigt verstehe ich diejenigen, die ihre Meinungen und Ansichten moderat und maßvoll vertreten, Gegner nicht diffamieren und sich bei verbaler Gewalt in der Regel nicht in Beißreflexe ergehen. Wer ist nun radikal, wer gemäßigt? Dieses Urteil, lieber Leser, überlassen wir ihnen. Der Autor ist der Meinung, das die Piradikalen das Problem sind und sie sind sehr gut identifizierbar durch Tweets, Aktionen und Äußerungen beziehungsweise die Anzahl der Klagen, mit denen sie andere Piraten überziehen um ihnen die Handlungsfähigkeit zu nehmen. Ihre lauthals veröffentlichen Ansichten sind oft nicht (oder nur teilweise, mit mehr oder weniger Auslegung) vom Programm gedeckt, sie beleidigen und diffamieren direkt oder indirekt andere Piraten und Andersdenkende und stellen diese gerne in die Nähe von wahlweise Faschisten oder Linksradikalen – damit schädigen sie das Ansehen der Partei und Ihrer Mitglieder und verschrecken und verjagen die “gemäßigten”.
Und das tun sie nicht ohne Grund, denn die Vertreibung der Andersdenkenden ist eine allseits bekannte politische Taktik, siehe Trotzkisten vs. orthodoxe Marxisten, Neoliberale vs. Bürgerrechtler oder Realos gegen Fundis.
Auch bei uns mehren sich die Austritte, und es sind selten die verbal gewalttätigen Schreihälse die gehen, es sind oft Piraten die keine Lust mehr haben sich beleidigen zu lassen, keine Kraft mehr um mit nicht an Kompromissen Interessierten zu diskutieren oder durch die in immer kürzeren Abständen eskalierenden Shitstorms schlicht ausgebrannt sind – ich stand deswegen auch beinahe vor dem Austritt. Nicht zu vergessen das Schamgefühl gegenüber der Familie, Nachbarn und Freunden, Mitglied einer Partei zu sein, in der kubikmeterweise Schwachsinn läuft.
Dieser Trend muss gestoppt werden, denn sonst gewinnen die Piradikalen – sie sind nur eine kleine Minderheit, dominieren aber die innerparteilichen Kommunikationswege mit Ihren Themen und schaffen es durch anscheinend gemäßigte Frontfiguren in Schlüsselpositionen diejenigen, die ihre Ausrichtung der Partei unterstützen ohne radikal aufzutreten, hinter sich zu scharen. Bedauerlicherweise ist der Großteil der sich radikal verhaltenden Piraten einem Lager zuzuordnen – noch bedauerlicher ist es, das dieses Lager von den anderen radikalen dafür verantwortlich gemacht wird.
Der Autor wird in Zukunft jedem der Piradikalen aktiv entgegentreten und ein klares, erkennbares Zeichen gegen die ausgeübte Gewalt setzen. Er ruft die gemäßigte Mehrheit dazu auf: Tretet nicht aus, geht zu den Parteitagen, unterstützt gemäßigte Kandidaten. Wir brauchen keine “Piradikalen”, wir brauchen Demokraten mit Gewissen und Verantwortungsbewusstsein. Wir sind eine Partei der Meinungsfreiheit, wir achten die Menschenwürde und wir lassen uns unseren Traum nicht von ein paar Chaoten kaputtmachen.
Die Deutschen wählen keine Radikalen, sie wählen auch keine zerstrittene Partei. Die politische Mitbestimmung nach der Wahl ist aber Ziel und Aufgabe einer Partei und wir werden eher früher als später scheitern, wenn wir das nicht in den Griff bekommen.
Kommentare
10 Kommentare zu Von “Piradikalen” und “Gemäßigten” in der Partei
Ich krieg das alles voll mit, hab aber eher den Eindruck, dass sich die gemäßigten endlich mal erheben und laut gegen die Radikalen, die zu Recht oder zu Unrecht als links wahrgenommen werden, geben. Es hat auch lang genug gedauert.
Ich warte seit nunmehr sechs Jahren darauf, dass ich zumindest Gewissheit habe, wen ich wähle wenn ich Piraten wähle. Es ist ja noch nicht mal so, dass ich es den reaktionären Piraten besonders übel nähme, dass sie sind was sie sind. Aber zuerst jahrelanges Rumgeeier von wegen “nicht links nicht rechts” hat mich schon angeödet und jetzt “nicht radikal”. Es war immer klar, dass es dabei um etwas Grundsätzliches geht, das geklärt werden muss. Nach rapide sinkenden Wahlergebnissen kommt JETZT ENDLICH der Richtungsstreit! Der hätte aber schon in der Zeit der Parteigründung klar sein müssen und nicht mit 30000 Mitgliedern nach acht Jahren Verarschung. Bitte löst euch auf oder spaltet euch wenigstens um eure Wähler nicht länger zum Narren zu halten. Macht eine Kerniepartei, Anarchopiraten und die Spießerpiraten auf – gebt euren Wählern die Chance euren Richtungsstreit zu beantworten. Bis dahin habt ihr erstmal einen Wähler weniger. Ich kann es mit meinem Gewissen nicht länger vereinbaren aus Versehen Spießer zu wählen.
Mir gefällt Dein Wort PIRADIKALE ziemlich gut. Nur leider sind genau diese Leute, die 1. keine Piraten-Themen vertreten – und also nicht Pirat-Radikal sind 2. an sich überhaupt nicht radikal sind, sondern nur die Piraten DERAILen… – meiner Meinung nach im Interesse von Angela & ContentMafia. Kraß und klar – für mich sind das wie die SteineSchmeißer HINTER den Reihen der echten Demonstranten, die dafür sorgen, daß die ernsthaft MITarbeitenden Leute in der Öffentlichkeit eins aufs Dach bekommen. Damit werden die Piraten als Opfa des Web2.0-Mißbrauchs zu nochmaligen MißbrauchsOpfa – also zu Opfa2.0, was ich als #FinalFaschismus definieren würde. Und Opfa von wem? Der FinalFaschisten – also der PirNAZIfa. Was meinst Du so?
Sie haben nicht nür linke Piradikalen,… sie haben auch liberale Piragmatiker ;(.
Seit jahren aktiv ins Internationales bereich.
Schau an… #PPIgate
Jetz mit mehr Inhalt ;).
Leider setzt sich bei uns immer wieder das Sprichwort ” der/die Klügere gibt nach” durch: die Guten, Vernünftigen, Gemäßigten… schmeißen das Handtuch. Die Schreihälse, Shitstormfans, Rücktrittforderer bleiben, die nur darauf warten dass wieder ein Piraten einen Fehler macht, um ihn/sie wieder und wieder in die Pfanne zu hauen. Auch sind es die Gemäßigten die sich eher zurücknehmen, im basisdemokraitschen Sinne den Vorlauten den Vortritt lassen… Und diese Vorlauten sind für die Presse und anderen Parteien ein gefundenens Fressen um uns zu schaden… Was diese Piraten damit anrichten ist ihnen vermutlich nicht bewusst. Oder doch? Dass wir wegen dieser Quertreibern immer wieder so ins Trudeln geraten, könnte vermuten lassen es sind gutplazierte Maulwürfe… Deshalb müssen wir das Sprichwort umkehren: “Die Klügeren halten durch!” und sitzen im politischen Sinne die Querulanten aus. Wer trotzdem andere in die Pfanne hauen möchte: die GroKo und andere Politiker und Parteien bieten da doch zig-fach mehr Gründe als wir Piraten. Deshalb: klarmachen zum Ändern! Wir brauchen die Piratenpartei dringender denn je! Und: Piraten passen nun mal nicht in Schubladen; weder links, noch linker, oder sonstewo….
Den Satz “Die Klügeren halten durch!” kann ich nur unterstreichen. Denn, ganz offen gesagt und um mich ein bisschen den Umgangsformen der Piradikalen anzunähern – das sind Dummköpfe, und nicht nur normale Dummköpfe, sondern qualifiziert dumme Dummköpfe, denn entweder verstehen sie nicht was sie anrichten oder es ist ihnen egal.
In jeder “normalen” Vereinigung der sich nur im RL trifft würde man sie relativ schnell schneiden oder hinauswerfen, das geht bei uns nicht – bzw. man könnte sie in Twitter blocken, Mails ignorieren, … quasi aus dem Blickfeld befördern …
Was man aus dem Desaster lernen kann, besonders in Bezug auf Kommunikation: https://www.freitag.de/autoren/the-babyshambler/die-piraten-als-gradmesser
Lieber Sperling, ewig-gestriger, intelligenter, körnerstehlender Vogel. Basisdemokratie heisst: du fragst mich nach meiner Meinung, und drückst mir nicht deine aufs Auge. Solange die Piraten nicht mich fragen, mich nicht stimmen lassen, werden sie sein wie jede andere Partei auch.
Wenn du nun glaubst ich möchte zum Parteiprogramm stimmen, täuscht du dich. Ich will stimmen ob eine Steuer erhöht wird. Ob eine Strasse gebaut wird. Ein Gesetzt geändert wird. Was interessiert mich ein Parteiprogramm, da kann ich mir nichts dafür kaufen!!
Hallo, in der Basisdemokratie wird per Definition alles von der Basis entschieden, das bedeutet es gibt keine Repräsentanten – das kann es aktuell aus organisatorischen Gründen in einer Partei die in einer repräsentativen Demokratie antritt nicht geben, denn das Parteiengesetz definiert Parteien etc. nun mal anders.
Wenn ich das Gesetz ändern will, muss ich in den Bundestag kommen – wenn ich in den Bundestag kommen will, muss ich gewählt werden. Wenn ich gewählt werden will, muss ich attraktiv für den Wähler sein – und der Wähler orientiert sich auch daran, ob funktionierenden Strukturen vorhanden sind.
Da ein Staat aber ein funktionierende Struktur sein muss um zu existieren wählt keiner eine Partei, die nicht einmal in der Lage ist sich selbst zu organisieren – selbst Schwärme schaffen das, und im Schwarm ist das durchschnittliche Mitglied nicht schlauer als fünf meter Feldweg.
Als Piraten werden wir u.a. deshalb nicht gewählt, weil der Wähler – neben den ganzen Schreihälsen, Selbstdarstellen und Möchtegernprominenten die es in allen Parteien gibt – keine funktionierende, belastbare und attraktive Struktur erkennt, ja nicht einmal erahnen kann.
Ob Basisdemokratie mit elektronischen Mitteln geht – keine Ahnung, wäre schön. Solange die fünf Wahlgrundsätze, vor allem die geheime Wahl, nicht angetastet werden bin ich sofort dafür.
Demokratie kommt und lebt vom Mitmachen – wer nichts tut, erreicht damit auch nichts. Von alleine wird es nicht besser!
Ich werde ab sofort und obwohl ich bald 50 werde, bis auf weiteres nur noch Die Piraten wählen. Warum? 1. Es ist die Partei mit den meisten jungen Leuten. 2. Es ist die Partei in der am meisten diskutiert wird, auch, wenn es vielleicht für die Partei von der Öffentlichkeitswirkung her vermeintlich eher schädlich ist. Das ist mir aber allemal lieber wie die Parteidisziplin der etablierten Parteien, bei denen man neben “Arschkriecher” und “Beitragszahler” bestenfalls noch eine Karriere als respektierter “Querkopf” neben den Meinungsführern in der Partei machen kann. 3. Die Piraten sind keine radikale Partei, nur weil sich ungewöhnliche Meinungen darin finden, sondern eine im höchsten Maße demokratische. Wirklich radikal ist für mich nur, was menschenverachtend ist (z. B. Atomkraft, Rassismus), alles andere ist nur revolutionär, innovativ, vielleicht auch mal “Spinnerei”, aber nicht radikal. Aber wenn man Veränderungen in bestimmten Bereichen will, muß man diese auch entsprechend drastisch formulieren. Ich denke, eine gewisse Entschiedenheit ist darum durchaus angebracht und für die Partei nicht schädlich. Lieber demokratiekonform als marktkonform kann ich da nur sagen. Marktkonforme Parteien haben wir bereits genug. 4. Es ist außerdem die Partei, die am wenigsten einer Wähler-Klientel aus einer bestimmten sozialen Schicht dient. Das war bislang nur bei den Grünen der Fall. Das alleine ist schon revolutionär. Ich wähle eine Partei nicht mehr nur, weil sie mir persönlich Vorteile bringt, sondern weil ich der Meinung bin, daß die Politik einer Partei der Gesellschaft insgesamt Vorteile bringt. Diesen, am Gemeinsinn orientierten Ansatz sollte man jedoch nicht mit der FDP-Devise “was der Wirtschaft dient, nützt auch den Arbeitnehmern” gleichsetzen. Denn diesen Automatismus gibt es nur in der Wirtschaftswunderwelt der Liberalen.
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