
Datenschutz | nach einem Original von Joachim S. Müller CC BY 2.0
Das war es wohl mit der Spähaffähre. Interessiert hat es hierzulande ohnehin fast nur die Journalisten. Der abgehörte Durchschnittsdeutsche verfolgte die Sache eher wie einen Fernsehkrimi am Bildschirm. Mit etwas Gänsehaut und der Gewissheit, dass alles nur eine Inszinierung sei. Inzwischen ist die letzte Szene abgedreht, “Klappe zu, Affe tot! Was kann man denn auch selbst bewirken?”, dachten sich die meisten.
Die Regierung, obgleich ebenfalls Opfer eines Verbrechens, log und stritt alles ab. Daran änderten auch die von der NSA eingestandenen Lauschangriffe auf die Kanzlerin nichts. Frau Merkel bekam ein abhörsicheres Mobiltelefon – das sie wohl genausowenig nutzt wie das bisherige – und Deutschlands Internetunternehmen präsentieren ihren Kunden Technik aus den Neunzigern als “Internet made in Germany”. Schon war alles wieder in Ordnung! Made in Germany – darum beneidet uns schließlich die Welt.
Dabei erinnern diese Szenen der Selbstbeweihräucherung an den greisen Erich Honecker in seiner maroden DDR: Stolz zeigte er den i386 Prozessor aus eigener Produktion. Der bestand zwar nur aus einem leeren Gehäuse, beim Fernsehvolk glaubte er mit diesem Auftritt aber punkten zu können. Der Schein war ihm immer wichtiger als die Realität. Ein Satz wie Auf deutschem Boden gilt deutsches Recht hätte auch von ihm kommen können.
Die Zerstörung von Festplatten beim Guardian wurde bestenfalls wie eine Szene aus aus einem Hollywood-Streifen wahrgenommen, in England berichtete ohnehin keine andere Zeitung darüber. Auch die Sperrung des Videos von Edward Snowden auf Youtube stieß dort auf keinerlei Protest. Kein Wunder, wurde als Erklärung doch ein Verstoss gegen das Urheberrecht angegeben. Wer will schon mit Raubkopiererern gemeinsame Sache machen? Mit Zensur wird es ja nichts zu tun haben, das Urheberrecht zwang förmlich zum Einschreiten. Ach überhaupt: Grossbritannien! Seine Websperren und die Abhörschnittstellen in den Routern aller Bürger! Dieses England, EU-Mitgliedsstaat, ein ausser Rand und Band geratener Geheimdienst der die Kommunikation auf dem Kontinent belauscht um die Daten an die USA zu liefern. Aus der Entfernung betrachtet gruseln wir uns ein wenig, in etwa so viel, wie uns der Gedanke an den Linksverkehr Unbehagen bereitet.
Leider ist es hier mit den Bürgerrechten im Allgemeinen und dem Datenschutz im Speziellen nicht besser bestellt. Wir können uns zwar auf das Demonstrationsrecht berufen, es im Zweifelsfall sogar einklagen, doch nutzt dies nicht viel, wenn die Polizei schon nach 50 Metern in Demonstrationen grätscht. In erster Reihe gehende Randalierer und andere Rabauken bieten mit ihrem Schwarzen Block immer einen Vorwand für Polizeikessel, Pfefferspray und in Folge davon verletzte Demonstranten und gelegentlich auch verprügelte Journalisten. Die Berichterstattung verengt sich auf die Aufrechnung der Leicht- und Schwerverletzten beider “Seiten”, das Thema der Demonstration interessiert nur am Rande.
Bei der Bundestagswahl bekamen die Piraten magere 2.2%. Dieses Ergebnis, verbunden mit mangelndem öffentlichen Interesse für die Themen war ein Zeichen an die Regierung, das dort gut verstanden wurde. Mit leeren Versprechen auf soziale und steuerliche Wohltaten waren mehr Stimmen zu holen als mit der Forderung auf Einhaltung der Grundrechte.
Voßhof, die neue Bundesbeauftrage für den Datenschutz, ist vorsichtig gesagt weder kompetent noch engagiert. Für die große Koalition der Datensammler die ideale Besetzung, um jeden weiteren Vorstoss in die verfassungsrechtliche Grauzone als “datenschutzrechtlich unbedenklich” zu etikettieren. Das lässt uns Übles für die nächsten Jahre erwarten.
Die Lethargie im Land ist eine Einladung für diese Politik! Widerstand kommt vereinzelt noch von der Presse, da aber die Artikel nur wenig Interesse hervorrufen, werden auch die Journalisten bald die Motivation verlieren etwas zu schreiben, das keiner liest. Und der Präsident schweigt. Kein Ruck geht durch das Land. Scheinbar haben die Bürger in diesem Thema jede Hoffnung in die Politik verloren. Diese wieder zu wecken ist unsere Aufgabe.
About Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervor ging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites grosses Hobby, den Amateurfunk, investiert.
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Kommentare
6 Kommentare zu Für 2.2% Datenschutz
“Bei der Bundestagswahl bekamen die Piraten magere 2.2%. Dieses Ergebnis, verbunden mit mangelndem öffentlichen Interesse für die Themen war ein Zeichen an die Regierung, das dort gut verstanden wurde. Mit leeren Versprechen auf soziale und steuerliche Wohltaten waren mehr Stimmen zu holen als mit der Forderung auf Einhaltung der Grundrechte. “
Dieser Satz ist doch wohl nicht ernst gemeint? Es ist doch wohl eher so, daß die Piraten die letzten Monate konsequent dafür gesorgt haben, einfach nicht attraktiv genug für Wähler zu sein. Kindergarten, große Gruppe und das mit schlechter Kinderstube trifft es am Besten! Ich bin Piratenwähler und hatte tatsächlich über ein gesteigertes politisches Engagement nachgedacht. Aber ich verspüre keinerlei Lust, mich mit oben genannten Kindergartenniveau herumärgen zu müssen! Wenn Grabenkämpfe geführt werden müssen, anstatt sich mit politischen Themen zu beschäftigen, dann ist man als Partei nur unglaubwürdig und wird einfach nicht gewählt. Nerdsein allein reicht nicht für Politik und das ist auch gut so, um es mal mit bekannten Worten zu nennen. Die Piraten werden wahrscheinlich wieder in der Versenkung verschwinden, aber daran sind sie dann nur selbst schuld! Ein schöner Artikel in der Zeit: http://www.sueddeutsche.de/politik/umfragehoch-der-piratenpartei-chaoten-oder-visionaere-1.1327908-2
fertig…
mfG, Pabba
Guter Artikel. 5 Monate habt ihr noch Zeit für unsere Demokratie. Macht das Beste drauß!
Hallo liebe Flaschenpostredaktion vielleicht sollte die Piratenpartei sich mal mit Themen beschäftigen welche auch das Volk beschäftigen sprich wie geht es weiter mit Europa und müssen wir Deutsche den immer alleine die Zeche bezahlen, macht die Osterweiterung Sinn und wenn für wen (den Menschen oder die Industrie)? Will der Deutsche in der EU bleiben oder raus und zurück zur starken D-Mark? Mal ein paar wirkliche Tabus brechen und nicht nur ja keinen Fehler machen und was wird wohl das Ausland sagen.Scheiß aufs Ausland!!! Will Deutschland weiter gemeinsame Sache machen mit der dauerhaft kriegstreibenden USA ? Was können wir tun um unsere kleinen Firmen zu stärken und den deutschen Arbeiter vor Billigarbeitskräften zu schützen und wie sichern wir die Rente zukünftiger Generationen oder ist der Zug schon längst abgefahren und brauchen wir ein neues Konzept. Und vor allen Dingen das ganze mal realistisch durchkalkulieren und nicht immer nur blablabla wir kümmern uns um die ganze Welt , was verdammt noch mal wollen wir für unseren Bundesbürger konkret tun und wie verhindern wir die zunehmende Verarmung unserer Landsleute????
Hallo,
gibt es eigentlich wieder solche Seiten wie Popcornpiraten die nicht bedingslos gehorsam das Parteimedium darstellen, sondern auch die richtig komischen Sachen, Skandale (“Gates”) etc. aufdecken?
Gruß
Dein Peter
PS.: Den Leuten ist das Thema Datenschutz nicht egal, ihr seid einfach die falschen Leute die sich drum kümmern. Macht lieber Forderungen wie “Billig Geld, kostenlose Drogen + Videospiele, Genderklos für alles und jeden”! Huxley4Life
Und der ehemalige Vorsitzende der Piraten Schlömer empfahl, eine politische Lösung zu suchen, obwohl die USA von Anfang an klar gemacht haben, dass sie die Überwachung unter keinen Umständen beenden würden. In der offenen Struktur des Internets bleiben Inhalte und Verbindungen eben offen, solange sie nicht verschlüsselt und verschleiert werden. Eine politische Lösung erfordert daher auch die Einbeziehung von technischen Lösungen. Niemand, auch nicht die Piraten, hat formuliert, wie eine solche Lösung aussehen kann.
Wir brauchen freie, benutzbare Soft- und Hardware, um ein echtes dezentrales Internet zu realisieren, in dem Daten geschützt bleiben und Anonymität möglich ist.
Dafür muss der Staat Mittel zur Verfügung stellen, Programmiererinnen bezahlen, quelloffene Systeme entwickeln und Informationen bereitstellen.
Katharina Nocun hat das ansatzweise in einem Zeit-Interview formuliert (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-07/piratenpartei-nocun-interview-nsa-ueberwachung). Konkrete Forderungen der Piratenpartei als Ganzes: Fehlanzeige.
Wie sollen technisch unbedarfte Bürgerinnen auf die Enthüllungen reagieren? Seit Monaten ist die Überwachung Thema in den Medien. Aber niemand (außer Katharina) zeigt eine Lösung auf. Email-Verschlüsselung? Lächerlich.
Die Piraten müssen eine Vision zum Internet der Zukunft entwickeln und ihre Realisierbarkeit aufzeigen und einfordern. Nur meckern hilft nicht. Wer hier nur fordert, die NSA abzuschaffen, ist wohl noch nicht in der Realität angekommen und von der Lethargie der breiten Masse nicht weit entfernt.
Warum hat die NSA-Überwachung den Piraten bei der BTW nicht geholfen? Weil sie Überwachung zwar doof finden, aber selbst keine Antwort darauf wissen.
Ich denke, dass sich vielleicht nicht der Durchschnittsdeutsche, aber durchaus mehr als 2.2% für das Thema interessieren. Die Piraten machen nur zu wenig draus.
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