In was für einer Gesellschaft wollen Piraten leben? Was ist unsere Utopie? Was können die Piraten in vier Jahren im Bundestag bewegen?
Im Jahre 2013 überwand die Piratenpartei unerwartet die 5 % – Hürde, die damals noch ein Hindernis für kleine, aufstrebende Parteien war. Sie zog sogar entgegen der Umfragen mit der Linken gleich, auf 8 %. Durch die Ausgleichsmandate konnte so mit den Grünen, der Linken und der FDP eine stabile Opposition gegen die schwarz-rote Regierungsmehrheit Merkel III entstehen.
An dieser Opposition scheiterte auch das Anfang 2014 initiierte Gesetzespaket “zur Sicherung der öffentlichen Ordnung durch präventive Intervention”, das es der Polizei und den Geheimdiensten unter anderem erleichtern sollte, ohne richterlichen Beschluss, die Internetkommunikation von “im Verdacht der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit” stehenden Personen auszuspionieren und langfristig zu speichern. Diese Personen, das sind insbesondere diejenigen, die durch den Einsatz von hochauflösenden Kameradrohnen auf Großdemos und Protestaktionen identifiziert werden konnten. Aber natürlich wurde diese Verbindung so nicht dargestellt.
Das alles wurde mit knapper Mehrheit verhindert: vielen SPD-Abgeordneten kamen zuletzt doch Bedenken, ob diese Art der Überwachung nicht doch verfassungswidrig sei, obwohl das BVerfG, das sich mit formalen Änderungen hat abspeisen lassen, grünes Licht gegeben hatte. Die Piraten hatten auch im Plenum gute Überzeugungsarbeit geleistet.
Ende 2014 initiierten dann die Fraktionen der FDP und Piraten das große Reformpaket mit dem Titel “Freiheit statt Angst”. Bürgerrechte würden wiederhergestellt, der paranoide Umgang mit der Terrorismusgefahr wich einer gesunden Balance aus Sicherheit und Freiheit; im Grundgesetz würde das Brief- und Fernmeldegeheimnis auch auf Internetkommunikation ausgeweitet, sodass die Überwachung des Online-Verhaltens nur noch mit richterlichem Beschluss bei dringendem Tatverdacht stattfinden dürfte. Die gesammelten Daten dürften nicht länger als 12 Wochen gespeichert werden, eine Verlängerung wäre nur durch das Gericht möglich.
Doch trotz einer mitreißenden Rede der Fraktionsvorsitzenden der Piraten ließ sich keine Mehrheit für das Gesetz finden. Die Piraten mobilisierten daher eine bundesweite außerparlamentarische Opposition, die rasch anwuchs und die große Koalition zum Einlenken zwang: Der erste große Sieg der Piraten im Bundestag!
Mit dem Rückenwind dieser “Graswurzel-Bewegung” brachten die Piraten einen weiteren umfassenden Entwurf in den Bundestag ein, der bundesweite Volksentscheide und Volksbegehren ermöglichen und die Regierung auf Antrag einer Bundestags-Minderheit zu Referenden verpflichten, sowie die 5 % – Hürde abschaffen sollte.
Um den Wahlerfolg in Sachsen, Thüringen und Brandenburg nicht zu gefährden, stimmte auch die SPD, zusammen mit Grünen, Linken für dieses Gesetz, sodass es mit verfassungsändernder Mehrheit angenommen wurde.
Im Sommer 2015 begannen dann die Beitrittsverhandlungen zur EU, respektive der Euro-Zone, in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken. Mit dabei war die Türkei, die nach dem erzwungenen Rücktritt Erdogans wesentlich liberaler geworden war. Auch Polen, und das seit 2014 unabhängige Schottland nahmen an den Verhandlungen teil. In allen drei Ländern gab es massive Proteste gegen die undemokratische Organisation der Europäischen Union. Mittlerweile konnten die Exekutiv-Organe der EU so sehr in die Politik der einzelnen Staaten eingreifen, dass sie demokratisch gefasste Beschlüsse – natürlich nur halboffiziell – faktisch umwerfen konnten.
Während Merkel, weitestgehend vor dem kritischen Auge der Bürger geschützt, mit den Staatsoberhäuptern über den Beitritt verhandelte, regte sich auch in Mitteleuropa Protest gegen das Lissabon-Konstrukt.
Die Piratenparteien, unterstützt von ihrer Fraktion im EU-Parlament, in dem seit den Wahlen 2014 auch einige deutsche Piraten vertreten waren, riefen zu Kundgebungen für eine demokratisch legitimierte EU-Verfassung auf.
Auf deutsch, französisch, griechisch, türkisch, polnisch, italienisch, spanisch, englisch und in vielen anderen Sprachen war dann vor dem Gebäude der EU-Kommission und auch in den Hauptstädten zu lesen: “Europa, ja! Wirtschaftsdiktatur, nein! “.
Schließlich gelang dann der Durchbruch: Frankreichs Präsident sprach sich ebenfalls, dem Druck der Bürgerbewegung folgend, für eine Reform der Union aus. Auch Deutschland und die anderen EU-Länder folgten: eine verfassungsgebende Versammlung der Europäer, unter Beteiligung einer schottischen, polnischen und türkischen Delegation, wurde einberufen. Die Arbeit an einer neuen Vision einer solidarischen Gemeinschaft der Bürger begann.
Am 14.7.2016, dem Jahrestag der französischen Revolution, brachte die Piratenpartei parallel zu den Ereignissen einen Antrag in den Bundestag, der bezeichnenderweise mit “Freiheit, Gleichheit, Solidarität – Das bedingungslose Grundeinkommen” tituliert war. Es sollte eine Enquête-Kommission zum Thema Grundeinkommen aufgestellt werden, deren Ergebnis dann Gegenstand einer Volksabstimmung sein würde. Die Kommission, bestehend aus parteiübergreifenden und externen Spezialisten, wurde Ende 2016 eingerichtet, und sollte bis 2020 verschiedene Optionen und Berechnungsmodelle für ein bedingungsloses Grundeinkommen erarbeiten. Eine Entscheidung wurde kurz vor der nächsten Bundestagswahl 2017 erwartet.
Am 17.08.2017 kündigten mehrere große Telekommunikationsunternehmen unter dem Deckmantel des Jugendschutzes an, die Geschwindigkeit von als jugendgefährdend gekennzeichneten Webseiten auf ein Minimum zu reduzieren. Nach eingehender Recherche der Piratenfraktion zu diesem Thema und anschließender Vorstellung der Ergebnisse im Bundestag wurde selbst der Regierung klar, dass die Begründung der Unternehmen nur ein Vorwand war, den Traffic zu vermindern. Unter Federführung der Piraten brachte die Opposition die Regierung schließlich dazu, ein Gesetz zu erlassen, das Netzneutralität vorschreibt und damit solche Auswüchse in Zukunft verhindert.
Dieser Erfolg war ein wunderbarer Einstieg in den Wahlkampf diesen Jahres (2017), den die Piraten mit größtmöglicher Motivation beginnen. Die Umfragen sehen sie derzeit bei über 10%. Denn in den vergangenen Jahren haben die Piraten tatsächlich Vieles bewirken können.
Die gesamte Partei ist sich einig, dieser Linie weiter zu folgen und auch der nächsten Regierung gehörig Stöcke zwischen die Füße zu werfen, wenn diese die Grundrechte mit Füßen treten will.
Kommentare
3 Kommentare zu Die Vision der Piraten – ein utopischer Blick in die Zukunft
Hallo Pascal ,
freut mich sehr das du die Visionen geschrieben hast..Das gibt dann eine gewisse Linie wohin man möchte !
Herzliche Grüße Peter 🙂
Sehr origineller Beitrag ! Vor allem auch eine Anregung fuer Piraten, sich trotz Rueckschlaegen nicht entmutigen zu lassen. Man denke nur einmal daran, wie die Gruenen einst begannen….belaechelt und als Spinner bezeichnet hatte man sie, als sie struempfestrickend in den Bundestag einzogen. Und wo sind sie heute ? Fast rechts von der FDP (man nennt sie auch FDP mit Fahrrad) und ein etablierter Partner in vielen Regierungen. Daher sollten Piraten durchhalten, wobei sie ja nicht unbedingt ebenfalls ins konservative Lager abdriften muessen.
Einmal Harz 4 immer Harz 4!
Ist ja toll, dass sich nun die Parteien über die Renten Gedanken machen. Frage, was ist mit den ganzen Minijobbern und Harz 4 Empfängern? Immerhin sagte Exkanzler Schröder was von
Fordern und Fördern
. Ich habe einen Eingliederungsvertrag unterschreiben müssen und muss den Vertrag erfüllen. Rentenbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung werden allerdings nicht mehr entrichtet. Eigentlich hatte ich die Hoffnung nun bei Vollbeschäftigung bezahlte Arbeit zu finden, was mit knapp 50 ig Jahren gar nicht so leicht ist. Anscheinend ist eine Zuwanderung von Südeuropäern, den Facharbeitern, wichtiger als die Leute hierzulande, auch Facharbeiter, in bezahlte Arbeit zu bringen. In Rundfunk und Fernsehen wird von den großen Parteien gesagt, dass Leute die 45 Jahre Beiträge in die Rentenkasse gezahlt haben, mit keinen Abzügen bei der Rente rechnen müssen. Gilt das dann auch für Minijobber, Aufstocker und erwerbslose Harz 4 Empfänger? Soweit ich weiß bekommen die Menschen aus der ehemaligen DDR ihre Studienjahre angerechnet, was bei den Leuten aus der BRD nicht der Fall ist. Also mit Studienzeiten, als Generation Praktikant und anschließendem Harz 4 Bezug sollte es doch für viele hier aus der Ex BRD schwer sein, auf 45 Jahre Beitragszahlung in die Rentenkasse zu kommen. Also einmal Harz 4 immer Harz 4?Es können keine neuen Kommentare mehr abgegeben werden.