
Plenarsaal | CC BY SA JesterWr
Es ist ein beliebtes Spiel der Parteien, jede anstehende Wahl zur Schicksalswahl zu (v)erklären. Gerade dieses Mal, so wird den Anhängern erklärt, sei es besonders wichtig zur Wahlurne zu gehen, gerade dieses Mal wird das Ergebnis derart knapp ausfallen, dass jeder einzelne Wahlzettel über die Regierungspartei entscheiden kann.
Doch 2013 ist alles anders. Der SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück hat die Bundestagswahl bereits im Vorfeld verloren, Frau Merkel wird bis auf weiteres Kanzlerin bleiben. Da das Ergebnis schon fest steht, werden viele keinen Grund sehen zur Wahl zu gehen. Man muss also kein Prophet sein, um eine historisch niedrige Wahlbeteiligung vorherzusagen.
Eine Chance für uns Piraten
Diese Situation können wir Piraten durchaus als Chance betrachten. Die niedrige Wahlbeteiligung begünstigt die kleinen Parteien, deren Anhänger eher an Wahlen teilnehmen da sie wissen, dass im unteren Bereich der Balkendiagramme am Wahltag jede Stimme zählt. Wenn wir Piraten unsere Anhänger ebenfalls motivieren können zur Wahl zu gehen, zählt deren Stimme vielleicht nicht doppelt, aber doch zu 110%.
Ein zweiter Effekt der uns zugute kommt: Bei den oft erwarteten knappen Ergebnissen bei “normalen” Wahlen ist jede Stimme “nebenraus” eine Stimme, die einem der beiden Kontrahenten zum Wahlsieg fehlen könnte. Deswegen gilt für viele die Parole: keine Experimente! Dieses Mal ist aber anders: Frau Merkel braucht keine zusätzliche Unterstützung, Herrn Steinbrück nutzt sie nichts.
Die kleineren Parteien
Die FDP kämpft um den Einzug ins Parlament. Hier fehlt in der Tat jede Stimme. Doch die FDP wurde in der Vergangenheit nicht wegen womöglich vorhandener Symphatieträger gewählt (Hier gab es ohnehin nur die Herren Dahrendorf, Scheel und Genscher), sondern als Korrektiv zur CDU, deren natürlicher großer Koalitionspartner. Allerdings verhielt sich die CDU in den vergangenen vier Jahren gegenüber der FDP derart dominant, dass dieser kaum politischer Handlungsspielraum blieb. Aber eine FDP, die nur CDU-Gesetze abnickt und sich ansonsten auf ihre Mitnahmequalitäten konzentriert braucht niemand im Parlament. Selbst die CDU scheint die FDP abgeschrieben zu haben, obwohl deren Scheitern an der 5% Hürde noch keine ausgemachte Sache ist. Nach dem Debakel in Nordrhrein-Westfalen gilt eine Zweitstimmenkampagne für die FDP als ausgeschlossen. Und ob die FDP aus dem schwammigen Wirtschaftsprogramm der Christsozialen Profit schlagen kann bleibt abzuwarten.
Anhänger der Linken können das Experiment “Piraten wählen” wagen, denn deren Einzug in den Bundestag gilt als sicher, ihr Ausschluss von der Regierungsbank steht aber ebenso fest.
Nicht viel anders sieht es für die Grünen aus. Nach einigen Flirts zwischen den Christdemokraten und den Umweltschützern ist das Verhältnis wieder stark abgekühlt. Die Ursache dafür ist vor allem in unterschiedlichen Vorstellungen zu suchen, wie das Land nach erfolgter Energiewende aussehen soll.
CDU und SPD
Großen Teilen der CDU wäre eine 20%-SPD als Koalitionspartner lieb. Gerade aber Piraten dürfte dieses Szenario die Nackenhaare zu Berge stehen lassen. Zwischen die innenpolitischen Hardliner dieser Parteien passt in der Regel kein Blatt. Wenn CDU und SPD über “Innere Sicherheit” reden, streben beide nach maximaler Kontrolle und grösstmöglicher Härte. Gemeinsam in der Regierung, gibt es nichts das sie bremst. Kein Bundesrat, kein Bundesverfassungsgericht (das in letzter Zeit immer häufiger Urteile der Art “kann man schon machen” fällt), keine Öffentlichkeit und schon gar nicht die gesetzten Oppositionsparteien Grüne, FDP und Linke, da jeder Protest gegen Überwachungsmaßnahmen unglaubwürdig wirken würde. Denn sie alle hatten bereits Regierungsverantwortung getragen und dabei Deutschland bzw. einzelne Bundesländer zum Überwachungsstaat ausgebaut.
Piraten in den Bundestag
Als einzige Partei mit strikt ablehnender Haltung gegen Datensammelwut und Abhörbefugnisse gehen wir Piraten in den Wahlkampf. Unverbraucht im parlamentarischen Geschäft, motiviert, unverkrampft und glaubwürdig. So wird die Wahl im September doch zur Schicksalswahl. Mit Schließung der Wahllokale wird nämlich klar, ob im 18. Bundestag eine Partei sitzen wird, die glaubhaft gegen PRISM, BDA, VDS, Bundestrojaner den Hackerparagraph und anderen Irrsinn eintreten wird. Nach der ersten Prognose wird es heißen: Merkel bleibt. Sorgen wir dafür, dass 10 Sekunden später gesagt wird: Die Piraten kommen.
About Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervor ging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites grosses Hobby, den Amateurfunk, investiert.
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Kommentare
8 Kommentare zu Merkel bleibt, Piraten kommen
Hi, durch die PRISM-Geschichte bekommt Ihr praktisch eine Steilvorlage. Wieso nutzt Ihr das nicht gnadenlos und geht auf die Straße?
Ihr könnt nicht davon ausgehen, dass alle zufällig im Internet auf euch stoßen. Viele haben die Überwachung noch nicht einmal mitbekommen oder glauben sie sind nicht betroffen weil sie ja nicht im Internet unterwegs sind.
Albert Einstein “Du verstehst etwas nur dann wirklich, wenn du es deiner Großmutter erklären kannst.”
Und gerade die Älteren sind es, die in der Hauptsache CDU/SPD wählen!
Viele Grüße aus NZ Kiwi
Genau so ist es Kiwi! Wenn schon Wahlforscher sagen, dass die Causa Ed Snowden d a s Wahlkampfthema für die Piraten wäre….
Piratige Grüße Flowerchild
Hallo, zu Flaschenpost 27, Wahlchancen der Parteien : versteh ich jetzt nicht, warum Ihr die AfD ignoriert. Scheint mir ziemlich arrogant von Euch. Meines Erachtens werden die mehr Stimmen als die Piraten kriegen. Wie stehts von Eurer Seite mit Europakritik ? Muß ja nicht der Euro insgesamt sein, Helmut Schmidt z.B. sieht meines Erachtens zu Recht eine Krise der europäischen Institutionen insgesamt, also der gesamten Europa-Architektur.
Die “AfD” ist KEINE Alternative für Deutschland! Das traurige an der Partei ist, das sie fast die gleichen Ansichten vertritt wie die FDP. Wenn Wirtschaftswissenschaftler nach der letzten Bankenkrise(nein, es ist keine “Euro-Krise”) immer noch nicht begriffen haben, dass die Banken an die Kette gelegt werden müssen, allen voran Herr Lucke, dann kann man nur noch mit dem Kopf schütteln!
Whinston Churchill “Das unverzeihliche Verbrechen Deutschlands vor dem zweiten Weltkrieg war der Versuch, seine Wirtschaftskraft aus dem Welthandelssystem herauszulösen und ein eigenes Austauschsystem zu schaffen, bei dem die Weltfinanz nicht mehr mitverdienen konnte.”(Der eigentliche Auslöser für den WW2!)
Dass ist das eigentliche Problem! Die “Weltfinanz”(britische und amerikanische Banken) muss dringend entmachtet werden! Das könnte ein einiges Europa(ohne die Briten) zusammen mit Eurasien(China und Russland) schaffen.
Noch immer schauen die deutschen Politiker nach Westen(USA)! Die Amis sind höher verschuldet als die Euro-Zone! Aber es wird immer noch gegen den Euro gewettet! Die amerikanische Fed(Federal Reserve) ist eine PRIVATE Bank, nicht in staatlicher Hand wie die Bundesbank in DE. Das hat zur Folge, dass in Kriesenzeiten Geld ohne Ende gedruckt werden kann, welches die Verschuldung der USA noch höher treibt. Der US$ ist das Papier nicht mehr wert, auf dem er gedruckt wird! Das erkennen immer mehr Staaten(China bezahlt Gold mit seinen Dollarreserven um diese loszuwerden, Iran handelt Öl nicht mehr in US$, sondern in Gold! Selbst Neuseeland arbeitet daran seine Währung wieder durch Gold zu decken(siehe Goldstandard)).
Ich könnte noch ewig weiterschreiben … würde vermutlich zuweit führen.
Grüße aus NZ! Kiwi
meine Meinung: 1.es gibt kaum Unterschied in den 5 ultraliberale Schmutzparteien. Ich unterstelle, dass Steinreich und seine Gruppierung sich selbst “versenkt” haben. So blöd wie der sich in den letzten Monaten angestellt hat,gibt es nicht (ausser bei den Piraten unter Pomader) 2. Die Piraten sollten neben dem IT-themen das Wichtigste herausstellen: einzige Partei, die in der Lage ist, einen echten DIA-log, eine echte Offenheit für andere Ideen und Meinungen abzubilden. Diese Qualität ist in den vergangenen Monaten etwas untergegangen. Sie ist aber ein Grundpfeiler piratiger Existenz. 3.Ich hoffe , die Kaspereien der Pomaderzeit sind Vergangenheit.
Bzgl. AfD: Menschen verdrängen gerne grausame Dinge, weshalb das Thema wohl nicht angesprochen wurde.
Angenommen diese Nazis, die sich aktuell mehr oder weniger noch tarnen (als inkompetente Kasper mit ausgeprägtem Sendungsbewußtsein und Manipulationsintentionen) kommen in den Bundestag und die Piraten nicht: DAS wäre dann tatsächlich schicksalshaft.
Davon abgesehen finde ich die Einschätzung, dass jede Stimme für die Piraten nur 110% zählt viel zu tief gegriffen: Die Darstellung der strategischen Situation, die wohl zu dieser Zahl geführt hat, halte ich zwar für sehr plausibel. Doch wird die 5%-Hürde vergessen.
Angenommen, die Piraten würden “natürlicherweise” 4% bekommen. Und nehmen wir weiterhin 60% Wahlbeteiligung an. Dann würden diese 4%, d.h. ca. 1.5 Millionen Stimmen wertlos verfallen. Kommen jetzt aber z.B. Grünen- oder Linken-Wähler auf die Idee, dass “ihre” Partei eh genug Stimmen hat und leihen den Piraten deshalb ihre Stimme, sodass sie die nötigen 5% erreichen, ergibt sich für diese Stimmen das Bild: Ca. 370.000 Stimmen entsprechen 1.870.000 Stimmen, was dann etwa der Faktor 5 wäre.
Zusammengefasst: Sollte es für die Piraten knapp werden und jeder, der Piraten wählen würde, aber normalerweise dies am Wahltag nicht aus welchen Gründen auch immer tut, verschenkt 5 Stimmen. Umgedreht: Jeder der es zusätzlich tut, ist 5x mächtiger als der CDU-Opa.
Let’s do it!
Zitat Telepolis: “Der Trick mit der Tagesordnung Wenige Minuten vor der Abstimmung über diesen Text wurde jedoch plötzlich ein Geschäftsordnungsantrag gestellt, der eine inhaltliche Konkurrenz mit einem anderen Antrag der AG Außenpolitik feststellte. Daraufhin gelangte dieser zweite Antrag, der von den Mitgliedern in einer Vorabstimmung nur auf Platz 19 der Tagesordnung gewählt worden war und damit normalerweise gar nicht zur Abstimmung gelangt wäre, überraschend doch noch zur Wahl. Nachdem in einer kurzen Aussprache vor der Versammlung dann behauptet wurde, der erste Antrag sei unter Beteiligung von Antisemiten verfasst worden und einem Gegenredner das Mikro abgestellt wurde, setzte sich der zweite Antrag durch und gelangte so geradewegs ins Wahlprogramm. Dort steht nun zu lesen:
Als Piraten können wir bei der Verletzung von Menschen- und Bürgerrechten nicht wegschauen. Die Voraussetzung für eine verantwortungsvolle Außen- und Sicherheitspolitik im Rahmen des Piratenkodexes ist eine Betrachtung sozialer, politischer, wirtschaftlicher, ökologischer und militärischer Faktoren. (…) Wir bleiben einer Kultur der politischen Zurückhaltung mit militärischen Mitteln verpflichtet. Das Primat der Politik bedingt, dass der Einsatz militärischer Mittel immer nur eine letzte Option sein kann. (…) Die Piratenpartei lehnt gewaltsame Vertreibung, Umsiedlung, Deportation und Mord kategorisch ab. Sie unterstützt UN-Initiativen die das Ziel haben, diese zu verhindern. Parteimitglieder kommentierten, die Tagesordnung sei “gehackt” worden – nicht unüblich, nicht verboten, aber eben bei Grundsatzfragen von Krieg und Frieden auch mehr als fragwürdig. Hinter den Kulissen spielten dabei wohl auch persönliche Animositäten eine Rolle. Im Ergebnis allerdings scheint mit dem aktuellen Wahlprogramm eine Zustimmung der Piraten zur Teilnahme des Militärs an weiteren “humanitären Interventionen” eher wahrscheinlich”
Es erscheint mir immer mehr so, dass AUCH die Piraten sich klanisch organisieren, weg von der anfänglichen “Offenheit” . Macht weiter so und es werden immer mehr Leute abspringen. Ich denke, dass ultra-liberale System ist in der Lage JEDE politisch relevante Bewegung zu unterwandern und in seinem Sinn umzuleiten. So wird auch bei den Piraten kein Platz mehr für innovative Gedanken sein…Und das naive Antifa-gebabbel gibt es schon bei den Grünen oder bei ATTAC. Mit der AfD muss man sich auseinandersetzen weil der internationalistische Ansatz der Ultraliberalen nun mal in den Bankrott geführt hat.
Tja, ein paar Wochen später sehen wir: PRISM ist kein Wahlkampfthema. Die CDU hat sogar +1% gemacht, ist weiter so stark wie seit Jahren nicht mehr. Die Piraten haben immernoch nicht verstanden: Die Deutschen wollen Jobs und Geld. Alles andere ist absolut egal. Darum haben die Piraten keine Chance.
Und in den Medien ist von den Piraten zu PRISM nichts zu hören. Ich les auf Tagesschau, Spiegel und Heise jeden Artikel über PRISM und hab in noch keinem einzigen auch nur einmal irgendwas dort von den Piraten gehört. Warum? Weil sie abgeschrieben sind. In den neueren Infratest Umfragen heißt es zu den Piraten nurnoch: “N/A”.
Da hilft auch kein “Merkel bleibt sicher” oder “SPD hat eh keine Chance”. Wenn die Piraten praktisch garnicht mehr existieren in den Köpfen der Menschen und in den Medien.
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