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“Die Piraten haben keine digitale Mitbestimmung zwischen Parteitagen”, das ist das neue “Die Piraten haben kein Programm”. Aber genauso viel ist auch an dieser Behauptung dran. Fakt ist: Bereits seit den frühen Anfängen sind die Piraten die einzige Partei, bei der Basismitglieder und sogar Externe ohne nennenswerte Hürden ihre Meinung einbringen können. Dafür gab es bisher drei Möglichkeiten:
Digitale Arbeitsgruppen: Nur bei der Piratenpartei Deutschland beraten über 80 thematische Arbeitsgruppen in öffentlich zugänglichen Sprachkonferenzräumen im Internet (Mumble). Auch Nichtmitglieder sind willkommen.
Digitale Vorbereitung des Wahlprogramms: Nur bei der Piratenpartei Deutschland werden alle Anträge zu Parteitagen ins Netz (genauer: Ins Piratenwiki) eingestellt und dort diskutiert. Im Vorfeld des letzten Bundesparteitages wurde mit einer digitalen Umfrage unter allen interessierten Piraten ermittelt, welche Anträge im Paket zur Abstimmung gestellt werden. Auch die Reihenfolge der Antragsberatung auf dem Bundesparteitag wird anhand einer basisdemokratischen Befragung über das Internet festgelegt.
Digitale Positionserarbeitung: Nur bei der Piratenpartei Deutschland gibt es mit LiquidFeedback auf Bundesebene ein ständiges Werkzeug zur gemeinsamen Ausarbeitung von Positionen. Ein öffentlicher Gastzugang schafft Transparenz für die Öffentlichkeit. Bereits damit ist es Piraten besser als den Mitgliedern anderer Parteien möglich, sich voll einzubringen ohne ein Amt zu bekleiden oder Delegierte aufstellen zu müssen. Da die Piraten eben keine Delegierten haben, gab es bis vor kurzem noch ein gewaltiges Problem: zwischen 1.000 und 2.000 Mitglieder – also die, die den Parteitag besuchen – stimmten über zentrale Positionen und Personalentscheidungen ab. Der Rest – etwa 28.000 Menschen – waren schlicht von den Abstimmungen ausgeschlossen. Natürlich, sie können an den Diskussionen im Netz teilnehmen, Anträge ausarbeiten und präsentieren, aber wer aus Mangel an Zeit oder Geld nicht quer durch die Republik zum nächsten BPT fahren kann, hatte keine Stimme. Somit hing es mitunter auch von der Wahl des Veranstaltungsorts ab, zu welchen Ergebnissen ein BPT kommt.
Seit Mai 2013, genauer seit Neumarkt, gibt es jedoch eine Lösung dafür. Eine Idee war zuerst, eine “SMV” – ständige Mitgliederversammlung– zu etablieren. Die sollte regelmäßig oder rund um die Uhr eine Art online-BPT darstellen, auf dem verbindliche Entscheidungen getroffen werden können. Die Anträge hierzu scheiterten aber knapp an der 2/3- Mehrheit. Was aber oft übersehen wird: In Neumarkt wurde das Problem trotzdem gelöst, nur anders und unscheinbarer, denn die Lösung heißt “Basisentscheid”!
Anträge in diesem »Basisentscheid« genannten Verfahren werden zunächst ausführlich online debattiert. Die Abstimmung erfolgt dann entweder online, was für Sachfragen der Normalfall sein sollte, oder geheim per Urnenwahl, was z. B. bei Personenwahlen obligatorisch sein wird. In begründeten Ausnahmefällen können dann einzelne Piraten auch per Brief abstimmen. Die getroffenen Entscheidungen sind verbindlich und stehen denen von Bundesparteitagen gleich. Nur für Entscheidungen, die das Gesetz ausdrücklich dem Parteitag vorbehält, also z. B. Satzungsänderungen und Vorstandswahlen, hat das Abstimmungsergebnis der Basisbefragung lediglich empfehlenden Charakter. Es wird bereits fleißig daran gearbeitet, eine funktionierende Software zu programmieren, die diese Aufgaben erledigt.
Kommentare
4 Kommentare zu Piratenpartei baut Position als Partei der digitalen Mitbestimmung aus
“Piratenpartei baut Position als Partei der digitalen Mitbestimmung aus”, prima, gerne bin ich dabei auch an der Erprobung mitzuwirken.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Klein
Angesichts einer Piraten-Wahlbeteiligung bei den Parteitagen von ca. 10% der Mitglieder ist ein Delegiertensystem eindeutig basisdemokratischer. Das derzeitige Programm der Piraten hat keine Mehrheit in der Partei und viele politische Forderungen, die von der Mehrheit der Piraten vertreten werden, wie z.B. eine Ständige Mitgliederversammlung, finden sich NICHT im Programm der Piraten. Ohne wirklich relevantes Alleinstellungsmerkmal in den politischen Aussagen, wie es z.B. eine SMV, Mindestlohn über dem Hartz IV-Satz, Grundrecht auf Arbeit wäre, hat die Piratenpartei keine Existenzberechtigung und bleibt eine dumpfe Protestpartei digitaler Freibierkultur.
Moin, mit 10% der Mitglieder (in Neumarkt waren es ca. 5%) die an Parteitagen teilnehmen sind wir Piraten schonmal ganz weit vorne. Grosse Parteien sind mit ihren Delegierten rein prozentual deutlich schlechter gestellt. Zieht man jetzt (hier wie dort) die nicht stimmberechtigten Mitglieder ab (beispielsweise weil sie mit dem Beitrag im Rückstand sind) liegen wir Piraten schon bei deutlich mehr als 20%. Ehrlch gesagt fürchte ich , dass der Anteil der Nichtzahler sogar nochmal höher ist.
Bei den Parteitagen der Piraten kann jeder teilnehmen und mit abstimmen (vorausgesetzt die 48€ pro Jahr wurden bezahlt). Bei einem Delegiertensystem wie andere Parteien es haben ist die Teilnehme vom Wohlwollen der eigenen Gliederung abhängig. Hier dürfen nur die Fanboys vom örtlichen Parteichef fahren. Dazu noch einige Querulanten, damit die Presse etwas Zucker bekommt. Aber doch nicht so viele, dass auch nur unter den ungünstigsten Umständen etwas von ihnen abhängt.
Ein Problem ist aber tatsächlich der Umstand, dass nur die zu Parteitagen fahren können die erstens die Zeit dazu haben und sich zweitens die Fahrt nebst Unterkunft leisten können. Delegierte bekommen die Aufwände erstattet, wir Piraten sorgen immerhin für kostenlose oder günstige Übernachtungsmöglichkeiten in der Halle. Allerdings muss man sagen: exorbitant teuer ist die Fahrt nun auch nicht. Die Fahrtkosten werden also nur in seltesten Fällen der Grund sein einem Parteitag fern zu bleiben. Das leite ich ganz mutig mal aus der Tatsache ab, die Teilnehmerzahlen an Landes- Bezirks- oder Kreisparteitagen auch nicht höher ist. Und gerade bei den letzten beiden beschränken sich die Fahrtkosten auf ein Strassenbahn- oder S-Bahn-Ticket. Wenn dann trotzdem nor 5-10% der stimmberechtigen Mitglieder teilnehmen wird’s wohl andere Gründe haben.
Das Parteiengesetz formuliert dazu noch klare Vorgaben welche Voraussetzungen für rechtsgültige Wahlen vorhanden sein müssen. Per Knöpfchen drücken einen neuen Vorstand wählen ist da nicht.
Noch ein Wort zum Zusammen treffen von Menschen, wofür ein Parteitag auch steht. Ich selbst geniesse es sehr, all die Piraten persönlich zu treffen, mit denen man sich verbunden fühlt. Hier ein Wort, dort ein Hallo, mit einigen teilt man sich die Ferienwohnung, die für dieses Wochenende gemietet wurde. Darauf möchte ich nicht verzichten! Kein Knopfdruck kann den persönlichen Kontakt ersetzen. Der Versuch die Mitglieder zum Stimmvieh zu degradieren ginge einher mit einer geistigen Verarmung des persönlichen Umgangs. Gerade das ist nicht Ziel der Piraten! Denn aus politischen ähnlich denkenden Menschen können Freunde werden; das kann keine SMV ersetzen!
Es sollte “internet video conferencing” verwendet werden. Dazu eine Hierarchie von Arbeitsgruppen bilden: Also eine kleine Gruppe von ca. 7 Migliedern führt eine Diskussion, um in ein Thema einfzuführen. Danach wird die Diskussion in vielen Untergruppen fortgeführt. Anschliessend werden die Ergebnisse aller Diskussionen systematisch zusammengefasst und erneut von der Ursprungsgruppe diskutiert. Dabei muss natürlich strikte Gesprächsdisziplin herrschen. Also nicht das Geplärre wie in politischen Talkshows, in denen die Teilnehmer zu lange sprechen und anderen immer ins Wort fallen. Solche Teilnehmer müssen verwarnt und bei Wiederholung aus der Diskussionsgruppe ausgeschlossen werden. Sie verschwenden nur die Zeit der anderen Teilnehmer, die zielorientiert arbeiten, um eine Lösung für ein Problem zu finden.
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