Viele Zeitungsleser staunten nicht schlecht, als ihnen am 13. Mai die Bitte eingeblendet wurde, den Werbeblocker für ihre Seite abzuschalten, denn der Onlineauftritt finanziere sich durch Werbung. Auf Twitter wurde das Thema ausgiebig diskutiert, andernorts bestimmt auch. Viele äußerten Verständnis, dass Verlage Geld einnehmen müssten, zeigten sich durch Werbung aber genervt. Denn anders als in Printmedien lässt sich Onlinewerbung nicht einfach ignorieren.
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Die Entwickler von Adblock Plus, der Werbeblocker mit der wahrscheinlich größten Verbreitung, verzeichneten einen sprunghaften Anstieg der Installationen. Die Entwicklung von Adblock Plus wird durch Spenden finanziert. Auch diese gingen plötzlich deutlich nach oben. Wir sprachen mit einem der Entwickler.
Flaschenpost Till, die Verlage kämpften für das Leistungsschutzrecht und jetzt gegen Werbeblocker. Steht ihnen das Wasser bis zum Hals oder können sie ihn nicht voll genug bekommen?
Till: Ich denke es ist absolut legitim, dass Verlage für ihre erbrachten Leistungen auch adäquat bezahlt werden wollen, guter Journalismus ist wichtig und sollte sich auch lohnen. Bei der Suche nach einem geeigneten Geschäftsmodell wurden aber Fehler gemacht, insbesondere weil man bei der Werbung immernoch einfach auf blinkende Banner setzt. Für so eine plumpe Werbeform sind viele Internetnutzer inzwischen zu anspruchsvoll und darauf muss endlich reagiert werden. Ich würde mir wünschen, dass es auch in Zukunft gute kostenlose, werbefinanzierte Inhalte im Internet gibt. Das ist allerdings nur möglich, wenn dabei auf die Nutzer gehört wird. Ohne die Akzeptanz der Nutzer können Geschäftsmodelle im Internet nicht funktionieren.
Flaschenpost Wie groß sind die Werbeeinnahmen pro aufgerufener Webseite einer Zeitung?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es ist jedoch so, dass Seiten mit besonders viel und besonders großer Werbung am meisten einspielen. Da ist die Versuchung natürlich groß, immer mehr Kompromisse bei der User Experience zu machen. So wird aber eine Negativspirale befeuert, die zu immer mehr Ablehnung von Internet-Werbung und so schließlich auch sinkenden Einnahmen führt. Hier ist ein Umdenken erforderlich, statt kurzfristige Einnahmesteigerungen sollte ein nachhaltiger Kompromiss das Ziel sein.
Flaschenpost: Kannst du abschätzen wie hoch der Prozentsatz der Nutzer sind die Werbeblocker einsetzen?
Till: Im Schnitt surfen bereits etwa 20% aller Deutschen mit Adblock Plus, auf Websites mit besonders technik-affinen oder überdurchschnittlich gebildeten Besuchern liegt der Anteil zum Teil deutlich höher. Diese Zahl wächst ständig, weltweit wird Adblock Plus jeden Tag über 150.000x heruntergeladen.
Flaschenpost: Glaubst du, die Verlage sperren eines Tages Nutzer mit Werbeblocker ganz aus?
Till: Das wurde in der Vergangenheit bereits von einigen Seiten wie z.B. Ars Technica versucht und aufgrund von Nutzerprotesten schnell wieder zurückgenommen. Noch einmal: Wer glaubt, dass man Internetnutzer zu etwas zwingen kann, der hat dieses Medium noch nicht verstanden. Statt einen Kampf gegen die eigenen Leser zu führen, sollten sich Verlage ernsthaft mit dem Feedback auseinandersetzen. Die Kommentare, z.B. unter den Artikeln auf SPIEGEL Online, sprechen doch eine deutliche Sprache: Werbung würde akzeptiert werden, wenn sie nicht so nervig und primitiv wäre. Wir sollten uns also lieber darüber unterhalten, wie Werbung abgesehen von stupiden Bannern noch aussehen könnte.
Flaschenpost: Wie sieht akzeptierte Werbung aus?
Till: Websites werden in Zukunft Geld über Werbung verdienen, die von Internetnutzern nicht als störend wahrgenommen wird, z.B. indem sie nicht nervt, informativ ist und einen echten Mehrwert bietet. Einen ersten Schritt in diese Richtung haben wir mit unserer Acceptable Ads Initiative gestartet: Werbung, die von der Community als akzeptabel eingestuft wurde, wird in den Standard-Einstellungen von Adblock Plus nicht blockiert und erreicht damit eine deutlich größere Zielgruppe. So wollen wir einen Anreiz schaffen, auf bessere Werbung zu setzen und wir laden alle Beteiligten ein, an der Definition der Kriterien mitzuarbeiten, damit ein echter Kompromiss zwischen Websites und Nutzern möglich wird.
Flaschenpost: Meinst du, dass Bezahlsysteme Akzeptanz finden, bei denen der Leser zahlt, um keine Werbung zu sehen?
Till: Für einige News-Websites mit einer loyalen Leserschaft ist das bestimmt eine Option. Insbesondere für die vielen kleinen Websites eher nicht, solange es keine größeren Kooperationen in diesem Bereich gibt. Deshalb denke ich, dass Werbung wichtig bleibt und hoffe, dass es da bald zu mehr nutzerfreundlichen Innovationen kommt.
Flaschenpost: Arbeitet ihr an neuen Features für AdBlock plus?
Till: Wir werden die Bedienung vereinfachen, sodass der User leicht selbst einstellen kann, welche Art von Werbung er bereit ist zu akzeptieren oder abschalten will und wie er seine Privatsphäre schützen möchte.
Flaschenpost: Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen – und herzlichen Dank für AdBlock plus.
About Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervor ging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites grosses Hobby, den Amateurfunk, investiert.
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Kommentare
2 Kommentare zu Verlage lieben Werbung – wir sollen uns daran gewöhnen
Klar, die Leute wollen ja leben. Also habe ich den Werbeblocker deaktiviert – und das ganz schnell bereut und rückgängig gemacht.
Ich plane etwas in der Art eines elektrischen Mönches für Onlinwerbung zu programmieren. Ein Stück Software, das irgendwo auf einem meiner Rechner läuft und für mich die Nachrichtenseiten incl. Werbung aufruft. Währendessen ich selbst die Seiten mit aktiviertem Werbeblocker anschaue. Mit Selenium sollte das kein grosser Akt sein. Richtig edel wäre es natürlich sowas als Bildschirmschoner zu gestalten. Eine richtige Win-Win-Situation.
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