Ein Gastartikel von Christiane Schinkel und Ursula Bub-Hielscher.
Sobald die Diskussion sich auf Frauen in der Partei richtet, schlagen die Wellen regelmäßig hoch. Da sind zum Einen die, die die Postgender-Zeit postulieren und keinen Bedarf sehen, überhaupt noch über Frauen in der Gesellschaft zu sprechen, dann die, denen Frauen zu unterrepräsentiert wirken und die das Gefühl haben, Frauen seien benachteiligt und wiederum jene, die bei dem Thema stets eine feministische Kampfansage mit dem Ziel der Diktatur der Frauen riechen. Meist gibt es Streit darüber.
Viele von uns hatten diese fruchtlosen Debatten ermüdet, manche resignierten. Die ‘Aufschrei – Aktion’ hatte die Diskussion jedoch erneut in Schwung gebracht. In dieser Zeit lasen wir dann in der Presse, wie unser Bundesvorstand die Frauen in der Partei sieht.
Bernd Schlömer brachte in einem Interview mit der Süddeutschen folgenden Satz: “Ich fordere alle Frauen auf, sich auch um Ämter und Mandate zu bewerben – und das geschieht ja zunehmend. In Nordrhein-Westfalen hat die Aufstellungsversammlung gerade eine Frau auf Platz eins der Bundestagswahlliste gewählt. Wir müssen Frauen fördern und fordern. Nicht nur fördern.”
In der Folge regte sich bei vielen Pirat*innen Widerstand, weil sie sich in der Haltung an Gerhard Schröders Worte zu Hartz4 Empfängern im Rahmen der Agenda2010 erinnert fühlten. Sie formulierten ihre Kritik mit konstruktiven Vorschlägen und daraus entstand dann die #PiratinnenKon, eine zweitägige Konferenz zum Thema Frauen in der Piratenpartei.
Ziel des zweitägigen Kongresses ist, das Thema Frauen in der Partei und in der Gesellschaft mal auf eine neue Weise zu beleuchten, herauszufinden, welche unterschiedlichen Haltungen zum Feminismus und zur Gleichstellung der Frauen in der Gesellschaft es unter unseren Mitgliedern gibt, und im friedlichen Dialog gegenseitiges Verständnis und Akzeptanz untereinander zu stärken.
Uns wurde klar, dass es für die gesamte Piratenpartei ein Gewinn sein kann, wenn wir unsere innere Unklarheit und Zerstrittenheit, wenn es um Frauen und Genderpoltik geht, klären würden. Deshalb haben wir überlegt, wie wir eine Atmosphäre der konstruktiven Zusammenarbeit schaffen können.
Ca. 30 Frauen und Männer mit unterschiedlichen Haltungen und Lebensgeschichten arbeiten nun seit sechs Wochen daran, einen geeigneten Rahmen für die #PiratinnenKon zu entwickeln. Zusammen mit unserer Prozessdesignerin Katrin Faensen bemühen wir uns, mit neuen kooperativen und partizipativen Konferenzmethoden Fragen und Formen zu finden, die es erlauben, alles Wissen, alle Ideen und die dazugehörigen Emotionen, die es zum Genderthema gibt, zur Sprache kommen zu lassen. Und das auf eine Weise, die keinen Raum für sinnloses Streitereien und gegenseitige Vorwürfe lässt. Es geht uns darum, gemeinsame zu Wege eröffnen, friedlich und respektvoll miteinander umzugehen. Wir lernen besser und genauer zuzuhören, uns gegenseitig ernst zu nehmen, uns ausreden zu lassen, die Gefühle der anderen zu achten. Und auch wir merken, wie schwer uns das oft noch fällt.
Zusammen wollen wir Antworten finden auf folgende Fragen: Wie können sich Frauen, Queer und Männer gemeinsam für eine Gesellschaft mit mehr Gleichstellung und weniger Geschlechterstereotypen einsetzen? Wie können wir das Klima in der Partei verbessern und mehr Frauen für die Mitarbeit gewinnen? Wie schaffen wir es, dass mehr Frauen für Ämter und Mandate kandidieren? Und nicht zuletzt: Wie können wir unsere weiblichen Spitzenkandidaten im Bundestagswahlkampf stärken?
Wenn wir tatsächlich etwas Neues finden wollen, ist es notwendig, uns auf einen Forschungsprozess einzulassen, dessen Ergebnis wir erst am Ende der Konferenz kennen werden.
Um eine gemeinsame Gesprächsgrundlage zu schaffen, sammeln wir am ersten Tag in einer “Großrecherche” im World Cafe die Antworten auf grundlegende, offene Fragen wie:
- Welche unterschiedlichen Haltungen zum Feminismus gibt es?
- Wie entstehen diese Haltungen?
- Was ist sexuelle Identität für dich und wie möchtest du sie leben?
- Was bedeutet postgender für dich
und viele mehr.
Beim anschließenden Storytelling tauschen wir in Dreier-Gruppen unsere persönlichen Hintergründe unserer politischen Haltungen aus. Hierbei ist das aktive, empathische Zuhören enorm wichtig; das heißt, niemand unterbricht, redet dazwischen oder kommentiert die Geschichte der jeweils Erzählenden.
Nachdem wir die kognitive und die emotionale Ebene des Themas ausgeleuchtet haben, machen wir uns mit der Fishbowl auf die Suche nach Lösungen. Fishbowl ist eine Methode mit Innen- und Außenkreis. Innen sitzen diejenigen, die gerade etwas mitteilen möchten. Im Außenkreis sitzen die Zuhörer, die auch jederzeit in den Innenkreis gehen können. So entsteht eine flüssige Debatte, an der jede*r teilnehmen kann.
Nähere Informationen zu den Programmpunkten und flüssigen Konferenz-Techniken findet Ihr im Wiki.
Am Sonntag starten wir mit Teil 2 der Fishbowl, um den neu Hinzugekommenen zu vermitteln, was der erste Tag hervorgebracht hat. Wir rechnen damit, bis dahin die Themen herauskristallisiert zu haben, zu denen wir in Arbeitsgruppen dann konkrete Aktionen planen können.
Spannend ist, was wir in den thematischen Arbeitsgruppen an Neuem hervorbringen werden. Die Ergebnisse tragen wir erst im Plenum zusammen, später werden sie den Medien bei einer Pressekonferenz erläutert. Während des zweiten Tages haben die Journalisten die Möglichkeit, die anwesenden Spitzenkandidatinnen kennenzulernen.
Unser Wunsch ist, aus dieser Konferenz mit konkreten Aktionen und Ideen dazu heraus zu gehen, auf welche Weise wir für eine bessere Verständigung untereinander sorgen können und wie es uns gelingen kann, die Frauen und alle, die zu ihrer Mitarbeit in der Partei eine achtsame Gesprächskultur brauchen, zu stärken. Für den Wahlkampf und unsere weiblichen Spitzenkandidatinnen erhoffen wir uns eine Signalwirkung.
Kommentare
9 Kommentare zu Frauen in der Piratenpartei – warum scheint das so ein explosives Thema zu sein?
Interessant. Vielen Dank. 🙂
Ahoi Piraten der PiratinnenKon, danke dafür, dass ihr den Versuch macht, noch einmal den Hintergrund der PiratinnenKon zu erklären. Was wollt ihr eigentlich? Über die Frauen in der Gesellschaft oder über die Frauen in der Piratenpartei sprechen? Ersteres kann eine zweitägige Konferenz nicht abschließend leisten, besonders wenn die Teilnehmer nur über sich selbst sprechen wollen und nicht mit den anderen. Letzeres habe ihr dadurch verhindert, dass ihr mit einem vorgegebenen Ziel und mit ausgesuchten Teilnehmern angetreten seid und den überwiegenden Teil der Piraten von der Veranstaltung ausgeschlossen habt. Die sicher sehr klug initiierte Aktion #Aufschrei hat bewiesen, dass einige wenige Schreihälse einen riesigen Shitstorm organisieren können. Nicht mehr und nicht weniger. Was Gerhard Schröder und Hartz4 Empfänger mit der PiratinnenKon zu tun haben sollen, erschließt sich mir nicht. Über was regt ihr euch an dem Interview von Bernd Schlömer in der SZ überhaupt auf? Dass Frauen nicht nur gefördert, sondern auch gefordert werden sollen? Unter rund 33.000 Piraten gibt es rund 12 % weibliche. Das bedeutet, dass dieses Geschlecht heute bereits angemessen in Ämtern und Mandaten vertreten ist. Sollte sich der Anteil von Frauen in der Partei verändern, würde sich auch die Beteiligung von Frauen verändern. Also sind die Befürworter von Frauenbeteiligung gefordert, weibliche Mitglieder für die Partei zu werben. Das verstehe ich unter fordern. Wenn aber eine Minderheit versucht, eine Diskurshoheit über eine Mehrheit zu erkämpfen, ist das falsch. Jede Quote diskriminiert immer den Anteil der Gruppe, der ohne Rücksicht auf die Mehrheitsverhältnisse unproportional benachteiligt werden soll. Auf der PiratinnenKon werdet ihr nicht „unsere innere Unklarheit und Zerstrittenheit, wenn es um Frauen und Genderpolitik geht“ klären können. Durch die Auswahl der Teilnehmer werdet ihr euch nur gegenseitig eure gefühlte Benachteiligung bestätigen und euch in den schon vorher bekannten Forderungen bekräftigen. Die Ergebnisse des Arbeitstreffens von Feministen innerhalb der Piratenpartei stehen bereits fest. Sie tragen weitgehend die Handschrift von ausschließlich ihrer eigenen Ideologie, dem Feminismus, verpflichteten Akteure. Ja, in der Piratenpartei haben auch Verfechter dieser Ideologie ihren Raum. Nein, sie haben nicht das Recht, die übrige Partei zu bevormunden. Für die Piratenpartei relevante Ergebnisse wird die PiratinnenKon nicht vorlegen. Aber sie wird der Öffentlichkeit deutlich machen, dass, falls die Ergebnisse der PiratinnenKon als die der Partei vorgestellt werden sollten, diese sich von einer lautstarken Minderheit bevormunden lässt.
[i]NS: Falls jemand das „Gendersternchen“ oder die sexistische Doppelnennung der Geschlechter vermisst: Ich halte mich an die Rechtschreibregeln der deutschen Sprache wie sie in Schulen unterrichtet wird. Im Genus wird nicht etwa die weibliche Form unterschlagen, er benennt im Gegenteil zum Sexus nur nicht die Geschlechter. Wenn ich „Piraten“ begrüße, sage ich damit nichts darüber aus, ob und wie viele davon Männer oder Frauen sind, weil diese im Genus keine Rolle spielen. Würde ich hier aber „Pirat*innen“ begrüßen, würde ich mich als Sexisten darstellen. [/i]
“Eine bessere Verständigung”? Das ist jetzt ein Scherz, oder? Die ursprünglichen Konferenzregeln sahen doch ganz explizit das Gegenteil vor. “Ein besseres Klima in der Partei” schafft man so übrigens auch nicht. Ihr seit doch gar nicht bereit zuzuhören.
Ich finde das Feministinnen das Frauenbild kaputt machen. Hallo Frauen einfach in allgemeinen Dingen durch Taten überzeugen. Es sollte egal sein von wem gute Arbeit kommt. Das Wichtigste ist doch ein gesundes neutrales Miteinander und gute Ergebnisse. viele ältere Protestwähler springen genau wegen solch für die gemeinsame Sache unwichtigen Querelen ab. Das kann doch nicht euer Ziel sein. Entweder den Egoismus ausschalten und den guten Ideen der Partei nicht im Wege stehen oder………… Gruß Albertine Ganshorn
Schade das nun Feministinnen die Partei gekapert haben und nun mit ihrem antidemokratischem Gehabe die Partei kaputtmachen.
Die PP haette von Anfang an ihr Ding machen sollen. Ich kann bis heute nicht verstehen wieso sich die PP so von der Presse hat am Nasenring ziehen lassen. Man haette sich vom Feminismus distanzieren sollen so wie man sich vom Faschismus distanziert hatte nach dem einige Mitglieder ausfallend wurden.
Mein Abmeldeantrag ist heute rausgegangen, ich will mit meinen Mitgliedsbeitraegen sowas nicht nochmal unterstuetzen. Keinen Cent fuer Hassideologien.
Schade die PP war auf einem gutem Weg etwas zu veraendern. Die Chansen wurden vertan.
Ich werde die Alternative waehlen, PP geht fuer einen normalen Heterosexuellen Mann gar nich mehr.
Ich Femis habt die Partei kaputtgemacht, jetzt steht sie bei 2 prozent, weil kein Mann sie mehr waehlt. Und Frauen, gerade Emanzen, waehlen eher rot-gruen.
Ich sehe noch eine Chanse: Schmeisst die ganzen Emanzen aus der Partei raus und wir haben wieder 10 prozent…
Hallo Sebastian,
vielen Dank für deinen Kommentar, den ich mit grossem Interesse gelesen haben. Die Themen der #PiratinnenKon, die restriktiven Regeln, das Abschotten unter (teilweisem) Ausschluss von Männern habe ich nicht verstanden. Die Geringschätzung, Unterdrückung und die Gewalt gegen Frauen, die in Berlin thematisiert wurde, kenne ich aus meinem Umfeld nicht. Hier macht nicht das Geschlecht den “keinen Unterschied”, sondern wie ich mit jemandem zusammen arbeiten kann, wie nah sich die Positionen sind, wie kompetent jemand ist oder an eine Aufgabe heran geht. Und selbst wenn das nicht funktioniert legt man hier grossen Wert darauf jeden immer und jederzeit wertschätzend zu behandeln.
Dank deines Kommentars sehe ich aber nun, dass es offensichtlich doch Menschen, ja sogar Piraten gibt, die andere Menschen alleine aufgrund ihres Geschlechts verachten. Schon deine Wortwahl sagt viel über dein Frauenbild aus. Offensichtlich gibt es ausserhalb meine Umfeldes tatsächlich Leute, die genau so sind, wie die Frauen, deren Beschwerden ich bisher nicht nachvollziehen konnte, behaupten. Leute wie dich!
Sehr grosse Probleme scheinst du mit Frauen zu haben, die für ihre Rechte eintreten – auch wenn diese nur dem Recht entsprechen das sich Männer “rausnehmen”. Dass Frauen, die für Gleichberechtigung eintreten bei uns Piraten einen Hafen fanden ist zu begrüssen und macht die Piraten zu einer besseren Partei. Dass du heute deinen Abmeldeantrag raus schicktest macht die Piraten ebenfalls zu einer gesseren Partei – ich danke dir dafür.
Mein persönlicher Abschiedsgruss an dich: Wir weinen dir keine Träne nach.
Nette Umdeutung. Restriktive Regeln, Abschotten unter (teilweisen) Ausschluss von Männern auf einmal darin umzudeuten, dass es sich dabei nur um Frauen handelt, die für ihre Rechte eintreten und darüber hinaus das Gebarren der PiratinnenKon als begrüßenswert einzustufen, ja sogar darin eine Verbesserung der Piratenpartei zu sehen, ist hoffentlich nur provokatives Getrolle. Von einem Redakteur der Flaschenpost ziemlich unterste Schublade. PS: Informiere dich lieber mal welches Geschlecht von öffentlicher Gewalt am häufigsten betroffen ist.
Sebastian2 hat recht.
Was die InitiatorInnen im Namen der Piratenpartei da veranstaltet habe war die reinste Scharade. In dem Video wo sie alle zusammensitzen und über Ihre ach so tolle Kon plaudern wussten einige nicht einmal was sie über Ziel und Resultat sagen sollten. Stattdessen wurde über das allgemeine wohlbefinden gesprochen. Das Mediale Echo ist sogar noch vernichtender, in der Blogosphäre und auf Twitter ist die Hölle loß. Nur die PiratinnenKon Damen wähnen sich noch immer im siebten Himmel. Leise klopft die Realität an der Tür…
So eine Weltuntergangstimmung, das geht ja schon mal garnicht, ist aber viel zu lange bald schon Usus bei den Piraten, wo das her kommt? Ich denke es waren einfach die Leute die falschen, oder das Thema sch…?
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