Augsburg, 28.01.2013 14.00 Uhr: Polizeibeamte betreten das Gebäude der Augsburger Allgemeinen Zeitung (AZ). In der Hand einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluß des Amtsgerichts Augsburg. Ihr Ziel: Klarnamen und Daten eines Users des Onlineforums der Zeitung.
Zum Hintergrund: Im Herbst 2012 hatte ein User Kritik am Augsburger Ordnungsreferenten Volker Ulrich geäußert. Es ging dabei um das Thema “Straßenprostitution in der Stadt”, welches im Forum der AZ heftig und zum Teil auch recht emotional diskutiert wurde. Offenbar wurde Ulrich dabei von einem User “polemische Rechtsbeugung” vorgeworfen. Das wollte sich der CSU-Politiker aber nicht gefallen lassen. Er forderte die Redaktion der AZ mittels Rechtsanwalts zur Herausgabe der Daten des User, der unter einem Pseudonym veröffentlichte, auf. Die Redaktion lehnte dies mit dem Verweis auf den Datenschutz ab. Dazu Jürgen Marks, Mitglied der Chefredaktion der AZ:
“Wir unterstützen weder Beleidigungen noch strafrechtlich relevante Äußerungen auf unserer Plattform und sind jederzeit bereit, diese nach Prüfung zu löschen, wenn wir darauf aufmerksam gemacht werden. Aber wir nehmen die Meinungsfreiheit und insbesondere den Schutz der Daten unserer Nutzer sehr ernst.”
Die AZ löschte daraufhin den entsprechenden Kommentar des User, gab jedoch seine Daten nicht an den anfragenden Rechtsanwalt heraus. Das reichte Ordnungsrefererent Ulrich aber offensichtlich nicht. Über seinen Anwalt erstattet er gegen den User Anzeige bei der Polizei, die dann ihrerseits versuchte, an die Daten des User zu kommen. Die AZ lehnte mit der selben Begründung wie zuvor die Herausgabe der Daten ab. Dann wurde offensichtlich ein richterlicher Beschluss zur Feststellung der Daten und zur Beschlagnahme der Beweismittel erwirkt. Die zuständige Richterin verpflichtete die Redaktion dazu, die vorliegenden Daten des betreffenden Nutzers an die Ermittler herauszugeben. Dem musste die AZ natürlich nachkommen.
Ordnungsreferent Ulrich hat hier sicher im Rahmen der Gesetze gehandelt. Es stellt sich hier aber nicht nur die Frage der Verhältnismäßigkeit der Sache, sonder auch um die der grundsätzlichen Eignung. Volker Ulrich beabsichtigt, als Direktkandidat in den Bundestag einzuziehen. Aber wenn er schon mit derart kleinen Vorwürfen nicht zurecht kommt, was macht er dann als MdB? Der Kreisverband Augsburg der Piratenpartei übt jedenfalls strenge Kritik:
“Ulrich missbraucht Polizei und das Amtsgericht um Kritiker mundtot zu machen und die Presse einzuschüchtern.” meint David Krcek und Andreas Herz, Landtagskandidat für den Stimmkreis Augsburg-Land Süd betont: “Das Grundrecht auf Anonymität besteht auch im Internet”.
Für Ordnungsreferent Ulrich ist es bereits das zweite Mal, dass er versucht, einen Kritiker im Internet rechtlich zu belangen. Bereits im Herbst 2011 verlangte er über seinen Anwalt bei der Redaktion der AZ die Herausgabe von Daten eines Users, von dem er sich beleidigt fühlte. Auch dort verweigerte die Redaktion die Herausgabe – damals noch mit Erfolg.
Kurz vor Mitternacht erreichte unsere Redaktion die Meldung, das OR Ulrich am seinem Vorwurf zwar festhält, die Anzeige aber gegen eine persönliche Entschuldigung des Users zurückziehen würde.
Kommentare
11 Kommentare zu Kritik unerwünscht – Ordnungsreferent erwirkt Beschlagnahmung von Nutzerdaten
Habt Ihr von der CSU etwas anderes erwartet? Schon Strauß missbrauchte die Macht, als er den Spiegel durch die Staatsgewalt besetzen und durchsuchen ließ.
und das alles wegen dieser zwei worte “polemische Rechtsbeugung”. was hat denn der gute noch geschrieben, weiß das jmd oder gibts den post noch?
Leider nicht. Die AZ hat den Post direkt nach der anwaltlichen Anfrage gelöscht. Der genaue Inhalt ist also unbekannt. Die Äußerung “polemische Rechtsbeugung” entstammt der Erklärung der AZ zu diesem Vorfall.
Irgendwie hatten wir vor etwas längerer Zeit schonmal solche Methoden um Meinungen zu unterbinden. Wo das hingeführt hat sollte wohl noch jeder vor Augen haben.
Das Grundproblem ist aber sicherlich die Richterin selber die aufgrund einer solch banalen Äußerung solch eine massive Maßnahme angeordnet hat. Da hätte ich doch mehr Augenmaß erwartet, aber die Richter machen sich oftmals selber zum Handlanger der Politik. Dazu allein gibt es etliche Beispiele, wo Richter sich fatal daneben benehmen. Auch das hier könnte ein typischer Fall dafür sein. Man müsste einmal recherchieren inwiefern die Richterin nicht ein ähnliches Parteibuch besitzt wie der Ulrich selber oder irgendwelche anderen Zusammenhänge zu finden sind.
Viele Grüße, Jaab.
Bei der Suche nach der Festplatte von Max Strauß oder nach dem Verantwortlichen für deren Verschwinden hatte die bayrische Justiz seltsamerweise keinen großen Aufklärungseifer.
Es hat keine Durchsuchung gegeben. Es gab einen (von der Redaktion geforderten) Gerichtsbeschluss auf Herausgabe der Daten. Ist alles telefonisch/email mässig gelaufen. Das sollte man im Artikel korrekt darstellen.
Der Einwurf ist korrekt. Ich denke jedoch, dass die Durchsuchung auch nicht als so hoch angesehen werden muss – die Polizei wird hier als Mittel zum Zweck genutzt. Mich würde mal interessieren, was der ermittelnde Beamte selbst von der Sache hält – hat er doch die Durchsuchung gerade nicht durchgeführt, sondern versucht, die ganze Geschichte so vernünftig wie möglich zum Abschluss zu bringen. Wichtiger finde ich die Tatsache, dass es eine Durchsuchung hätte geben müssen, weil eine richterliche Anordnung vorlag. Ich halte den Beschluss weder für geeignet, noch erforderlich oder angemessen.
Ein Foto des Durchsuchungsbeschlusses ist in der Onlineausgabe der AZ zu sehen [1]. Dort sind, quasi aus erster Hand, weitere Details zu finden. Ihrer Behauptung “es hat keine Durchsuchung gegeben” widersprechen die Tatsachen.
[1] http://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Daten-in-Redaktion-beschlagnahmt-Ordnungsreferent-rudert-zurueck-id23751781.html
Nicht nur, dass man hier klar die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel stellen muss drängt sich für mich auf: Würde über Lieschen Müller in einem Forum vergleichbar hergezogen, würde dann auch die die Polizei anrücken mit einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss? Wie war das noch? Vor dem Gesetz sind alle gleich. Oder auch nicht.
Unglauberlich! wegen dieser zwei Worte eine solche Aktion? Schade dass man nicht den ganzen Text kennt um urteilen zu koennen. Wieso kann man einen Politiker nicht des Betrugs bezichtigen wenn dies argumaentativ unterlegt wird? Derzeit wird der spanische Praesident Rajoy oeffentlich beschuldigt , 30000 Euro Korruptionsgelder eingesteckt zu haben. Nach Augsburger Masstaeben muesste jetzt der Veroeffentlicher dieser eventuell falschen Behauptung die Todesstrafe erwarten. In Deutschland diskutiert man zwar endlos ueber die Nazis (=boese, boese!) aber faktisch ist der Hang zur ordnungspolizeilichen Regularsierung politischer Kritik doch staerker vorhanden wie in anderen EU-laendern. Ich moechte hier nochmals das Beispiel von YAHOO.de anfuehren , welches die Kommentarfunktionen seiner politischen Artikel gesperrt hat wohl wegen der vielen auch argumentativ gestuetzten Kritik gegen das neoliberale Regime. Man vergleiche mit Yahoo.fr oder Yahoo.es. Es gibt in Deutschland KEINEN webservice mit freier Kommentarfunktion. Alles wird gefiltert und kontrolliert!
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