Ein Artikel von Bruno Kramm unter Mitwirkung von Michaela Keupp.
Die C3S ist dabei Deutschland zu verändern. Zum ersten Mal formiert sich eine Ernst zu nehmende Alternative zur GEMA. Sie löst sich von dem klassischen Modell der Verwertungsgesellschaften und eröffnet alternative Wege für das Honorieren im Netz, Konzertauftritten und öffentlichen Aufführungen für freie und nicht-kommerzielle Creative Commons Lizenzen. Die C3S erklärt pragmatisch, warum es bisher nur eine Musikverwertungsgesellschaft in Deutschland gab: Es wurde bisher einfach noch keine zweite gegründet. Und genau das möchte die cultural commons collecting society machen – eine Verwertungsgesellschaft gründen.
Hiervon können nicht nur musikalische Urheber, die ihre Musik online veröffentlichen profitieren, sondern ebenso traditionelle Musiker, denen die Auswertungsstatuten der GEMA zu eng geworden sind. Denn die GEMA erlaubt es ihren Mitgliedern bis heute nicht, einzelne Werke unter Creative Commons Lizenz frei zu stellen. Gerade unbekannte Newcomer und aufstrebende Künstler benötigen diese Freistellung aber dringend, wenn sie alternative Wege der selbstständigen Vermarktung und Promotion nutzen wollen. Einzelne Lieder zu Benefizzwecken oder als Geschenk an die Fans kostenlos zu veröffentlichen erlaubt die GEMA nicht.
Wer bisher als GEMA Mitglied z.B. auf einem Sampler der vielen Print Musikpublikationen vertreten sein will, zahlte häufig aus eigener Tasche eine GEMA Gebühr, die dann oft mehr als 1000 Euro beträgt. Das Vermarktungsbudget einer kleinteiligen Band sprengt dies komplett. Die Rückzahlung dieser Beträge durch die GEMA hingegen dauert oft mehrere Jahre und verringert sich durch den Abzug von Bearbeitungsgebühren und eventuelle Verlagsabgaben nicht unerheblich auf weniger als die Hälfte. Bevor die C3S beim Patent und Markenamt eine offizielle Genehmigung erhält, eine Verwertungsgesellschaft zu gründen, müssen viele Auflagen aus dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhRWahrGes) erfüllt werden. Unter anderem muss die C3S ihre Relevanz beweisen – dafür benötigt sie einen großen Stamm von Mitgliedern mit eigenem Repertoire. Die Zulassung als juristische Gesellschaft ist bis Mitte 2013 geplant.
Die Chance
Die eigentlich größte Chance einer neuen Verwertungsgesellschaft, die auf die Informationsgesellschaft zugeschnitten ist, besteht neben echtem Wettbewerb in der langfristigen Aussetzung der GEMA-Vermutung. Bisher zieht diese GEMA-Vermutung durch die Legitimation aus dem UrhRWahrGes mit jeder Werkanmeldung eine Umkehr der Beweislast bezüglich einer GEMA Mitgliedschaft nach sich. Sowohl bei der Herstellung von Tonträgern als auch bei der Programmfolge von Konzerten oder musikalischen Aufführungen in Diskotheken muss der aufführende Künstler auch noch heute nachweisen, das der Urheber der gespielten Songs kein GEMA Mitglied ist. Da die GEMA z.B. Pseudonyme prinzipiell nicht anerkennt, von vielen Urhebern aber nur unter größtem Aufwand der Klarname und die Postanschrift zu recherchieren ist, werden viele Aufführungen schon allein aus Rentabilitätsgründen prinzipiell als GEMA Repertoire eingestuft und abgerechnet, obwohl die Zugehörigkeit gar nicht geklärt ist. Diese Gelder fließen dann übrigens auch den großen Repertoireinhabern und Verlegern der sogenannten ordentlichen GEMA Mitglieder zu.
Sollte es der C3S gelingen, innerhalb weniger Jahre eine fünfstellige Anzahl von Mitgliedern als Urheber zu registrieren, steigt die Wahrscheinlichkeit, die GEMA-Vermutung endlich aus dem UrhRWahrGes streichen zu können die Gema Vermutung endlich als überflüssiges Relikt der 60er streichen zu können, erheblich.
Dies würde nicht nur zu einer größeren Gerechtigkeit in der Verteilung von Urheberrechtstantiemen aus öffentlichen Aufführungen sorgen, sondern auch der Existenz bedrohenden Tarifreform für den Club- und Diskotheken Sektor die Zähne ziehen.
Pläne der C3S
Die C3S möchte langfristig ein Netzwerk mit Niederlassungen in allen europäischen Ländern gründen, um entsprechend der von der EU Binnenmarktskommission angemahnten europäischen Harmonisierung gerecht zu werden. Die bisherigen nationalen Verwertungsgesellschaften sind hiervon noch weit entfernt. Darüber hinaus verspricht die C3S als Non-Profit-Gesellschaft mit geringsten Mitgliedsbeiträgen ein gesichertes Mindesteinkommen von 100% der monatlichen Lizenzgebühren – bis zu einem festen Maximalwert. Im Gegensatz zur GEMA entscheidet der Urheber, welches Werk er über die neue Verwertungsgesellschaft auswerten möchte und welches nicht. Auch was die Statuten und das Stimmrecht der Mitglieder betrifft, möchte man nicht das Unrechtssystem der GEMA übernehmen, sondern per Urabstimmungen die Mitglieder über den Kurs der Verwertungsgesellschaft bestimmen lassen. Sämtliche Zahlungen und Lizenzierungsmodelle sollen transparent und nachvollziehbar den Verwaltungsaufwand gering halten und durch Effizienz und Automatisierung die Erlösverteilung beschleunigen. Dazu wird die C3S moderne algorithmische Monitoringsysteme einsetzen und den Musiknutzern die Playlistenermittlung durch unterstützende Applikationen erleichtern. Einziger Wermutstropfen: Die Lizenzierung im Rundfunk und Fernsehen ist ein Fernziel, da zuerst Online- und Livelizenzen und erst danach B2B und die physische Lizenzierung auf dem Plan steht.
Empfehlung
Die C3S ist ein Traum für jeden musizierenden Pirat*: demokratisch organisiert, transparent gestaltet, Mitbestimmung soweit das Auge reicht. Selbst die Gründung der juristischen Person (vermutlich Genossenschaft) und der Verwertungsgesellschaft geschieht öffentlich. In der Community der C3S kann jeder mitmachen. Jungen Künstlern ist jetzt erst recht von einer GEMA Mitgliedschaft abzuraten.
Mehr Informationen gibt es auf der Homepage der C3S: http://www.c-3-s.eu/
Kommentare
3 Kommentare zu C3S – mal eben eine Verwertungsgesellschaft gründen
Kleine, aber IMO wichtige Korrektur: die “GEMA-Vermutung”, wie sie derzeit praktiziert wird, steht so ja nicht im Gesetz sondern ist eine aus der dort stehenden “VG-Vermutung” und – wichtig – aus dem Umstand, dass die GEMA aktuell die einzige Verwertungsgesellschaft ist, abgeleitete Rechtssprechungspraxis.
Wenn ich das richtig verstehe (und auf dem Berliner C3S-Bandcamp richtig verstanden habe) sieht das nämlich so aus: Schon im Moment, in dem mit der C3S eine zweite Verwertungsgesellschaft bestünde würde – auch und gerade aus der Formulierung im Gesetz heraus – diese Praxis obsolet, da für diesen Fall schon im Gesetz steht, wie zu verfahren ist, wenn mehr als eine Verwertungsgesellschaft existiert. Die Verpflichtung, Werksnutzungen zu melden, entfällt dann zwar nicht, wäre auch nicht sinnvoll, aber die Beweislastumkehr, wie sie derzeit praktiziert wird, wäre dann nicht mehr haltbar.
Praktisch sähe es also dann so aus: ein Veranstalter meldet eine Nutzung einfach an eine VG seiner Wahl (er muss nicht wissen, bei welcher VG ein Werk u.U. registriert ist geschweige denn GEMA-Werke an die GEMA und C3S-Werke an die C3S melden)und die VGs müssen schauen, ob/in wie weit es sich um von ihr oder der anderen VG oder von keiner VG vertretenes Material handelt. Auch die Rechnungsstellung erfolgt dann von nur der VG, an die gemeldet wurde, die Ansprüche der anderen VG wird zwischen den VGs geregelt und die Vergütungen entsprechend aufgeteilt.
Eine Beweislastumkehr fiele also automatisch weg, weil diese sich nicht mehr begründen ließe mit dem derzeitigen Argument, dass bei einer kommerziellen Musiknutzung neben der Vermutung, dass das Nutzungsrecht von einer VG verwaltet wird dies auch automatisch bedeute, dass diese VG GEMA heißt und entsprechend deren Bedingungen gälten. Wenn eine 2. VG existiert, die komplett andere Bedingungen bietet ist es Sache der VGs, festzustellen, welches gemeldete Werk unter welchen Bedingungen genutzt werden darf/wurde.
Der nasty Part der GEMA-Vermutungspraxis wäre also schon direkt nach Gründung der C3S obsolet, ohne dass man noch auf eine Gesetzesänderung warten müsste… 😉
Anmerkung: Ich spreche hier als einer der Mitinitiatoren der C3S.
Danke erstmal an Bruno & Michaela für den Artikel und an Sven für den Kommentar.
Kleine Korrektur vorab: Die C3S ist seit geraumer Zeit auch unter der einfacheren URL http://c3s.cc erreichbar. 😉
@ Sven: In der Tat ist die so genannte GEMA-Vermutung nicht gesetzlich verankert. Daher ist das Anstreben einer Gesetzesänderung nicht sinnvoll. Insbesondere auch aus dem Grund, weil gerade das UrhWahrnG einen Ansatzpunkt bietet, die derzeitige Situation zu ändern – siehe §13c, Abschnitt (2):
Dass daraus ein Automatismus erfolgt, der die GEMA-Vermutung beendet, ist meines Erachtens (bin juristischer Laie) nicht zwangsläufig der Fall. Wie gesagt, die GEMA-Vermutung ist Rechtsprechung. Soll heißen, sie beruht auf einem Richterspruch. Diese Praxis könnte sich erst dann ändern, wenn ein Richter anders entscheidet.
Zu Hilfe kommt hier der oben angeführte §13c, Abschnitt (2). Denn alle existierenden VGs müssen sich nun einig werden, wie die Praxis zu handhaben ist. Ein Beispiel, wie das aussehen kann, ist der Vorschlag von Sven: Die Playlist geht an eine beliebige VG, die VGs sortieren und rechnen ab.
Der wichtige Teil – die zweite VG hat den Fuß drin und redet mit.
@ Bruno & Michaela: Der genannte “Wermutstropfen” hinsichtlich des Airplays, bzw. wann wir diese Nutzungsart ebenfalls zur Abrechnung anbieten wollen, liegt weniger an unserem “Plan”. Es ist eher realistische und nüchterne Abschätzung.
Die Abrechnungssysteme im Rundfunk sind relativ gefestigt. Daher braucht es hier eine gehörige Portion Überzeugungskraft und eine stabile, rund laufende Lösung, die in andere Systeme (Branchenlösungen zum Media Asset Management und zur Lizenzverwaltung) integriert werden kann.
Selbst, wenn wir populäre Künstler vertreten würden, wird ein Sender in der Praxis eher auf diese verzichten, anstatt ein langjährig etabliertes System mit ggf. hohen Kosten umzustellen.
Vertreten die Sender dagegen eine andere Haltung und kann die Abrechnung mit einem zweiten Kunden neben der GEMA (der C3S) rasch, unkompliziert und günstig realisiert werden, und die Änderung verspricht womöglich weitere Vorteile für den Sender, dann sieht das schon ganz anders aus.
Kurz: Wir möchten die Airplay-Abrechnung schnellstmöglich anbieten. Aber nur auf Herz und Nieren geprüft und in Abstimmung mit den Sendern. Das wird vermutlich nicht gar so rasch gehen.
@Wolfgang: ja, das ist was ich meine, da hab ich mich vielleicht auch ungenau ausgedrückt: der Automatismus, den ich meine, ist der, sich auf die bisherige bereits erfolgte Rechtssprechung zurückziehen zu können, die durch eine andere Ausgangslage als die, unter der diese Grundsatzurteile mal irgendwann gefällt wurden, “automatisch” neue Grundsatzurteile erzwingen müsste, eben weil die alten so nicht mehr passen. Die GEMA-Vermutung baut ja weniger auf das eigentliche Gesetz auf (wie du ja oben auch belegtest) als auf die daraus abgeleiteten Grundsatzurteile, die ja teils BGH-Urteile sind. Natürlich heißt das nicht, dass “automatisch” alles in “unserem” Sinne gehandhabt wird, denn freilich muss man die geänderte Realität auch erstmal (wahrscheinlich auch hier und da vor Gerichten) feststellen. Der Automatismus, den ich meine ist, dass eben neu festgestellt werden muss, wie nunmehr unter den neuen Bedingungen vorzugehen ist.
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