Früher setzte man Claqueure ins Publikum, dann kam das Soap-Lachen vom Band und nun gibt es eine Branche, die im Web2.0 entsprechende Dienstleistungen anbietet: Friend faker, ein etwas anrüchiges Genre zwischen Stimmungsmache und Schleichwerbung. Bei der CDU, die verzweifelt versucht, den Piraten Jungwähler im Web2.0 abzujagen, wurden nun unerklärbare Sprünge an Twitter-Followern entdeckt.
Betrübt es Sie, dass niemand außer Ihnen selbst Ihr YouTube-Video angucken mag? Die US-Marketingfirma Social Media Combo etwa verspricht Abhilfe: Sie verkauft (angebliche) Aufmerksamkeit, Tausend YouTube-Views kosten 110,99 Dollar; 21,44 Dollar muss man für 500+ likes auf Facebook zahlen, 55,00 Dollar für 300 followers auf Pinterest. Am billigsten bekommt man es auf Twitter:
What’s the best price on Twitter followers? Our best price is only $9.99 for 1200+ followers on Twitter for starters. If you’re an intermediate entrepreneur you can take 5000 followers on Twitter for a low price of $30.99 & up to 50K followers for $225.99 for your business.
Die PR-Effekte liegen auf der Hand, viele User folgen der Masse der clicks, views und likes in ihrer Auswahl aus den Myriaden Angeboten des Cyberspace – obwohl man eigentlich weiß, wie Lemminge ihre Massenevents beenden und wohin sich die meisten Fliegen setzen. Ist es gerade für eine Partei, die nicht so sehr an kontroversen Debatten, sondern mehr am Erfolg orientiert ist, vielleicht besonders attraktiv, sich „Follower“ zu kaufen? Dieses Wort wird ja eigentlich am besten als „Mitläufer“ ins Deutsche übersetzt. Die am ehesten als facebook-tauglich geltende Bundesfamilienministerin Kristina Schröder hatte im Web 2.0 schon vehement die CDU-Flagge geschwenkt und gleich eine gemeinsame Initiative mit der Firma Facebook gestartet.
Aber nicht einmal das hatte der CDU viel Online-Aufmerksamkeit erbracht. Ging CSU-Chef Seehofer bei der Suche nach Freunden im Web2.0 noch den bodenständigen Weg einer Facebook-Party, könnten modernere PR-Profis in der Politik eher auf effizientes Outsourcing gesetzt haben – wie viele Maß Freibier bekommt man schon für 30,99 Dollar? Die Frage, ob die CDU sich Twitter-Follower gekauft hat, brachte das ZDF-Blog Hyperland auf.
Bis zum 26. April war demnach die Mitläufer-Schar im Twitter-Profil der CDU (@cdu_news) nur bedächtig gewachsen. Eine Online-Redaktion der CDU-Bundesgeschäftsstelle pflegt das Konto seit Anfang 2009 und konnte bis dahin an die 20.000 Follower an sich binden. Ärgerlich war vermutlich: Die SPD hatte zu dem Zeitpunkt fast 5.000 virtuelle Mitläufer mehr. Vom 26. bis 29. April fanden jedoch innerhalb von nur drei Tagen plötzlich ca. 5.000 neue Follower Geschmack an dem CDU-Onlinedienst, obwohl nichts Sensationelles passiert war. Nach dem 29. April ging der mühsame Anstieg weiter wie bisher. Jens Schröder von Hyperland sah sich die neuesten 10.000 Follower der CDU genau an und fand dabei „sehr schnell“ fast genau 5.000 Follower, die ihm nicht zum Rest zu passen schienen. CDU- Twitterer (auf @cdu_news) kamen vorher meist aus Deutschland, nun plötzlich auch aus Venezuela, Milwaukee und Indien; die meisten der seltsamen Twitter-Accounts folgen mehr als 1.000 anderen Twitterern, hatten nur drei bis zehn Tweets getwittert und selbst maximal 60 Follower. Auffällig fand Schröder auch die künstlich klingenden Namen der Accounts: @ykKOMIENSIMMIE, @Zaidacx46 oder @eoWebKinzPopxo nannten sich die virtuellen CDU-Mitläufer.
Auch das via Twitter-API öffentlich zugängliche Erstellungsdatum der Accounts schien verdächtig: So wurden z.B. 450 davon im Abstand weniger Minuten am 24. und 25. Januar eröffnet; ca. 500 der 5.000 CDU-Neuzugänge twitterten nur bis zum 15. Dezember 2011, weitere 1.400 bis zum 20. Januar 2012. Die Firma Social Media Combo, recherchierte Schröder, betreibt offenbar auch Seiten wie addtwitter-followers.com und etwa 130 der neuen CDU-Follower folgten @socialmedia04, dem Follower-Account der Online-PR- Firma selbst. Von Hyperland mit den Recherche-Ergebnissen konfrontiert, zeigte sich die CDU überrascht: “Die CDU Deutschlands hat zu keinem Zeitpunkt und für keines ihrer Angebote den Kauf von Followern beauftragt oder veranlasst. Bezüglich des ungewöhnlichen Anstiegs der Follower-Zahlen auf @cdu_news im April hat die CDU Twitter mit der Überprüfung und ggf. Löschung der Anmeldungen beauftragt. Die entsprechenden Löschungen sind bereits erfolgt.“
So löschte Twitter die 5.000 Geister-Accounts und läßt uns mit dem Problem zurück, wer verantwortlich für den Aufmerksamkeits-Segen für die Christdemokraten gewesen sein könnte. Schröder fragte sich: „Ein übermotivierter Mitarbeiter, ein anonymes Parteimitglied, oder einfach nur jemand, der 31 Dollar übrig hatte?“
Die tollpatschige Web2.0-Farce der Union wurde von der chronisch unterfinanzierten Piratenpartei mit dem wohl nicht wirklich ernstgemeinten Angebot bedacht: “Liebe CDU, wollt ihr euch noch 80.000 Follower dazu kaufen? Dann hättet ihr fast so viele wie wir”. Ein offenbar erboster CDU-Anhänger, FranzK, hielt dagegen: Die @Piratenpartei scheint ja damit wirklich Erfahrung mit den Ankauf von followern zu haben cc/ @cdu_news https://pluragraph.de/organisations/ … #piraten. Mit einem Link, der einen sprunghafte Anstieg von Piraten-Followern am 29. März 2012 zeigt.
Doch die Piratenpartei NRW hatte am 28.März einen realen Schub an Aufmerksamkeit erhalten: Der WDR hatte sie quasi offiziell zur „fast-schon-Landtags-Fraktion“ erklärt: „Im Vorfeld der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sendet das WDR Fernsehen “Das Duell” der beiden Kandidaten für das Amt der Ministerpräsidentin bzw. des Ministerpräsidenten und eine “Runde der Spitzenkandidaten” der Parteien, die bislang im NRW-Landtag vertreten sind, und der Piratenpartei.“
von Thomas Barth
Kommentare
6 Kommentare zu Internetpolitik 2.0: Kauf dir virtuelle Freunde – Die Union zwischen Freibier und Outsourcing
Schade, dass die TAGESSchAU dies bestimmt nicht bringen wird %( so erfährts wieder nur der vernünftige Teil der Republik und nicht der, ders eigentlich dringend wissen sollte
nein, diese Altparteien! die CDU cheese im web -und keine Ahnung von Politik… die sollten mal versuchen das zu kapieren hatten doch Zeit seit 1933 -oder wann wurde die Zentrumspartei, auch bekannt als “Hitlers Steigbügelhalter”, gegründet? war doch z.T.deren Vorläufer, oder?
Die Deutsche Zentrumspartei (Kurzbezeichnung: Zentrum, heute: ZENTRUM) war bis zum Ende der Weimarer Republik 1933 als Vertreterin des katholischen Deutschlands und des politischen Katholizismus eine der wichtigsten Parteien im Deutschen Reich. Mit der Gründung der CDU als überkonfessioneller Sammlungspartei verlor das Zentrum nach dem Zweiten Weltkrieg seine Wähler- und Mitgliederbasis… stimmte am 23. März 1933 die Fraktion des Zentrums im Reichstag nach vorheriger Abstimmung mit der NSDAP Hitlers Ermächtigungsgesetz zu und verhalf ihm damit formell (nach der Verhaftung der KPD-Abgeordneten) zur erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit. http://de.wikipedia.org/wiki/Zentrumspartei
1906 trat Adenauer der katholischen Zentrumspartei bei und wurde am 7. März zum Beigeordneten der Stadt Köln gewählt. Am 22. Juli 1909 wurde er Erster Beigeordneter und damit erster Stellvertreter des Oberbürgermeisters Max Wallraf, der sein Onkel war… Adenauer galt als teuerster Oberbürgermeister im Deutschen Reich – wegen seiner Projekte und seines Gehaltes. 1928 verspekulierte Adenauer sein Vermögen durch den Ankauf von Glanzstoff-Aktien. Ein öffentlicher Skandal konnte dadurch verhindert werden, dass Adenauer sich aus einem sogenannten Schwarzen Fonds vom Vorstandsvorsitzenden der Glanzstoff AG ein Aktienpaket im Nominalwert von 250.000 Reichsmark zur Verfügung stellen ließ. http://de.wikipedia.org/wiki/Konrad_Adenauer so, so mit halbseidenen perlon-strumpf-aktien millionen verspekuliert, polit-karriere beim onkelchen gemacht -das ist deren großes vorbild, na dann hallelujah christdemokraten :-))
Wenn Adenauer da wenigstens sein eigenes Geld verspekuliert hätte, aber er hatte es aus der Staatskasse “entnommen”:
” bereits Konrad Adenauer. Der Säulenheilige und Gründungsvater der Union lässt mit seinen Machenschaften, die Rügemer anhand amtlicher Dokumente aus dem Historischen Archiv der Stadt Köln hieb- und stichfest belegt, seine jüngst ertappten Nachfolger ziemlich alt aussehen. Adenauer griff für private Börsendeals tief ins Stadtsäckel, wann immer ihn die Laune kitzelte, schwarze Kassen, Insidergeschäfte weltweit, Freiwohnen auf Staatskosten, Millionenzockereien, dabei stets wetternd gegen die “materialistische Weltanschauung”, die den christlichen Geist so sehr beschämt.” http://www.satt.org/literatur/03_01_colonia-corrupta_1.html
Die tollpatschige Web2.0-Farce der Union wurde von der chronisch unterfinanzierten Piratenpartei mit dem wohl nicht wirklich ernstgemeinten Angebot bedacht: “Liebe CDU, wollt ihr euch noch 80.000 Follower dazu kaufen? Dann hättet ihr fast so viele wie wir”. Ein offenbar erboster CDU-Anhänger, FranzK, hielt dagegen: Die @Piratenpartei scheint ja damit wirklich Erfahrung mit den Ankauf von followern zu haben cc/ @cdu_news https://pluragraph.de/organisations/ … #piraten . Mit einem Link, der einen sprunghafte Anstieg von Piraten-Followern am 29. März 2012 zeigt.
Die CDU will den Erfolg der Piratenpartei kopieren und versteht nicht, dass nur ein Meister mit dem Werkzeug ein Kunstwerk schaffen kann, ein Stümper sich damit aber nur verletzt.
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