
(Foto: Böhringer Friedrich / CC BY-NC-SA 2.0)
Einst lief Oberst Oberflächlich durch den Wald. Er blieb vor einem Waldameisenhaufen stehen und kniete vor ihm nieder. Er bewunderte die Waldameisenarbeiterinnen wegen ihrer Waldameisenarbeitsleistung, die Waldameisenspäher für ihren selbstlosen Waldameiseneinsatz und die Waldameisenkrieger dafür, dass sie furchtlos den Waldameisenschutzwall bilden. Plötzlich hob inmitten der stolzen Waldameisengemeinschaft eine Waldameise ihren Waldameisenhintern, zielte und schoss magdalenaneunerlike einen Waldameisensäurestrahl genau in Oberflächlichs rechtes Auge. Oberst Oberflächlich kniff das schmerzende Auge zusammen und ihn durchzuckte mit dem Schmerz ein Geistesblitz: Waldameisen sind scheiße!
Dieses Waldameisenprinzip funktioniert, seit der Mensch zu werten begann. Emotion verstärkt es noch. Was denken Sie, wenn ich Ihnen sage, dass der Bacardi-Feeling-Clip auf Haiti gedreht wurde? Toll dort! Hat’s da ‘nen Robinson-Club?
Ich zum Beispiel denke mit meinen 43 Jahren noch immer dann an die Situation im Kreißsaal des Nürnberger Süd-Klinikums und daran, wie man mir das erste Mal meinen in ein weißes Handtuch gewickelten Sohn auf den Arm gelegt hat, wenn ein Storch mein Dasein kreuzt. Unterbewusst stelle ich sogar die Seriösität einer Tierfilmlegende in Frage, wenn der alte Grzimek in ZDF-neo einen Storch auf sein Tischchen stellt, der kein geknotetes weißes Babytuch im Schnabel trägt. Waldameisenprinzip! Egal ob Werbung, Märchen oder Kohl: was herausragt, bestimmt die Wahrnehmung des großen Ganzen. Darauf ist Verlass.
Einst ragte die Netzsperrendebatte, dann ACTA, der Berliner Senat und Marina. Jetzt ragt ismus, ismus und ismus. Die Piraten haben Glück, dass noch nichts dominant geragt hat. Das Bild “Piratenpartei” ist noch undeutlich. Es ist noch im Malen begriffen. Und auf das nur schemenhaft Vorhandene werden beständig Riesenlupen gehalten – Presselupen, Parteibrillen und – auch aus den eigenen Reihen – Piratenmonokel. Alles wird bestimmt von der Suche nach einfacher Klarheit. Hierbei gilt gefundenes Fressen dann als gefunden, wenn es nach etwas schmeckt. Am besten nach etwas, was man schon kennt, wofür jeder schon ein Schublädchen zur persönlichen Zuordnung bereitstellen kann. Säurestrahl – Auge – Aua!

(Bild: www.marinaslied.de - Marina Weiband / CC BY-NC-ND)
Da liefern die Piraten derzeit ab. Klar hat Lessmann (Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei Bayern) recht, wenn er sagt, dass die Zahl rechter Idioten sich “im Promillebereich” bewegt. Doch derzeit ist es genau dieser Promillebereich, der wahrgenommen wird. Nicht, weil er als solcher aus der Menge ragt, sondern weil die Menge selbst sich an ihm schmerzvoll reibt. Aua!
Dieses laute Intervenieren der Basis ist grundsätzlich wertvoll. Auch hier ist es nicht die Intervention, die das Bild prägt, sondern deren emotionaler Grund. Mit der Wahrnehmung der Piratenpartei ist 2012 Auflage zu machen, Quote zu erzielen – sie kann Wähler beeinflussen. Die Piraten sind da, damit wird ihre Wahrnehmung zum Geschäft. Kein Wunder also, dass Journalistenhaudegen wie Becker und Rosenbach (Spiegel) einen 27-jährigen Piraten in einem Berliner Cafe solange bauchpinseln, bis dieser Wahrnehmung abliefert, die sich in einem Satz hinschreiben lässt und dabei Geschmack erzeugt. Natürlich sind beide Spiegelredakteure intellektuell in der Lage, ein Meinungsbild anhand des gesamten Gesprächs mit Martin Delius zu zeichnen. Doch eine Schmerz-Headline liest sich schnell, erklärt sich selbst und verkauft sich teuer. Säurestrahl – Auge – Aua!
Natürlich verlieren so auch 2.500 Contra-Tweets gegen den einen headlinefähigen Titten-Tweet. Das jedoch nicht nur bei der externen Presse, denn die würde einzelne Zweizeiler wohl gar nicht selbst filtern. Ebenso wenig der politische Gegner – zumal man dort unter “Tweets” meist noch Schmerzlaute versteht, die als hörbare Timeline dann entstehen, wenn weiße Mäuschen ein Frauenuniontreffen unterwandern.
Nein – hier prägt das Waldameisenprinzip das eigene Kommunikationswesen. Säurestrahl – Auge – Aua! Mülltweet – Timeline – offener Brief! Schon schließt sich der Kreis. Obwohl der offene Brief an sich ein tolles Mittel zur gezielten Auseinandersetzung ist, wird er durch die Presse zur allgemeinen Wahrnehmung verwurstet und verliert so auch innerhalb der Partei seine eigentliche Dimension. Einzelfälle werden zum Grundproblem – hier passt der Vergleich ebenfalls: es reicht, wenn sich ein einzelner Arsch erhebt.
Konstantin Weckers Willy-Textzeile “alle schaden sie, die alten wie die jungen Deppen…” trifft auf jeden “Ismus-Fall” zu. Menschenverachtendes darf niemals unkommentiert bleiben, darf sich niemals ausbreiten und muss in transparenter Weise klar verurteilt werden. Hier geht es nicht darum, dass diese Verurteilung seitens der Parteispitze betrieben wird, bei den Piraten ist es stets die Basis selbst, die als Filter unpiratigen Verhaltens die eigene Philosophie schützt – zeitnah, laut und öffentlich. Fakten müssen Fakten schaffen. Hass funktioniert nicht gegen Hass, ebenso wie Krieg nicht gegen Krieg funktioniert. Das Wertekonstrukt der breiten Piraten-Basis basiert auf diesem Grundsatz.
Schwarmintelligenz sorgt dafür, dass Waldameisen Großes leisten. Das Waldameisenprinzip hingegen wirkt von und nach außen. Das werden auch die Piraten nicht verhindern können. Was sie ändern können, ist ihr Vertrauen in die Menschen und darauf, dass sich langfristig nicht das Bild der säurespritzenden Waldameise durchsetzt, sondern das der gemeinschaftlichen Werte und die Idee von der Stärke einer selbstbestimmenten Basis.
Noch können die Piraten ihr eigenes Bild scharf werden lassen. Ob diese Bild dann das gewünschte ist, liegt nur daran, ob sich an die gemeinsame Wertevorlage gehalten wird oder ob man sich durch Begehrlichkeiten zum Klecksen verführen lässt. Hierzu gehört auch, dass Probleme nicht wegen der öffentlichen Wahrnehmung gelöst werden, sondern schlicht weil sie da sind. Nicht jeder Pressevertreter muss bedient werden – und nein, zu Friedmann muss man nicht gehen.
Die Piraten können Politik verändern, wenn sie der Idee der Offenheit treu bleiben und nicht der medialen Nutzung von Öffentlichkeit erliegen. Wenn sie den langen Atem beweisen, der für Veränderung nötig ist – und, wenn sie es schaffen, durch die eigenen Wurzeln getrieben erwachsen zu werden.
Säurestrahl – Auge – Aua! Gerne, wenn es die richtigen Zeichen setzt!
Kommentare
6 Kommentare zu Das Waldameisenprinzip – und die Last der öffentlichen Wahrnehmung
…öffentliche Wahrnehmung?! Hinsichtlich der zur Zeit eher dürftigen Ausrichtung in Sachen “TIERSCHUTZ” sollten sich die PIRATEN hinsichtlich der Inhaftierung eines “PIRATEN” (vgl.:http://www.seashepherd.de/news-and-media/news-120513-1.html ) konkret positionieren und möglicherweise Hilfestellung leisten.
1) Es gibt weitverbreitetes linkes Denken im Lande und es gibt Linksextremisten. Es gibt kaum verbreitetes rechtes Denken im Lande und es gibt Rechtsextremisten. Denken ist wünschenswert. Extremismus ist nicht wünwschenswert. 2) Warum wird das von Jürgen erwähnte Promille wahrgenommen und unter die Vergrößerungsgläser gelegt? Weil die Piraten so gewzungen werden, sich immer wieder zu erklären und damit nach links driften. Werden sie von den Wählern eher links verortet, nehmen sie der SPD, den Grünen und den Linken Stimmen weg. Und das nützt der CDU. Es ist eine der beiden Fallen, die sich die etablierten Parteien ausgedacht haben und hat hat gut funktioniert.
Heinrich
+1
Piraten sollten nicht strategisch agieren, sondern ehrlich, piratisch. Anders Denkende sind keine Gegner, es geht den Piraten nur um die Sache.
Stimmt, nicht jeder Pressevertreter muß/darf bedient werden, und woran liegts? Weil viele die Pressefreiheit mit Narrenfreiheit verwechseln.
Jeder Pressevertreter sollte sich seiner Veranwortung bewußt sein und bei berichteswerten Themen gern Ross, Reiter und Hintergründe offen ansprechen ohne sich hinter schammigen Ausweichfloskeln zu verschanzen(“angeblich”, “mutmaßlich” etc.). Aber bitte ordentlich recherchieren und bei der Wahrheit bleiben. Wer das nicht kann/will und stattdessen lieber im YellowPressStyle über jeden noch so unwichtigen Pups berichten will, der sollte das doch bitte als Unterhaltungsprogramm kennzeichnen damit das nicht als Nachricht mißverstanden werden kann… so würde ich mir das zumindest wünschen.
Aber Presseleute berichten halt lieber über das was Quote bringt… spektakuläre Unfälle, Verbrechen… und wenn die Lesermeinung manipuliert werden soll, dann werden gern mal neue Worte kreiert; Menschen die man brandmarken will werden zu “-anten” um sie mit Simulatnen gleichzusetzen oder zu “-isten” um sie mit Terroristen gleichzusetzen; (ist das noch Presse, oder schon Propaganda) alles unter dem Schutz der Pressefreiheit – und wir gucken zu. Niemand begehrt dagegen auf, weil man ja nicht als der große Zensor gelten will. Mit der Weile sind solche Unworte im Sprachgebrauch schon Normalität geworden.
Mit einem gewissen Schmunzeln nehme ich zur Kenntnis, daß es sich bei diesen Wortschöpfern häufig um “CHR-isten” handelt.
Zit:,,Die Piraten können Politik verändern, wenn sie der Idee der Offenheit treu bleiben und nicht der medialen Nutzung von Öffentlichkeit erliegen.”
Die Piraten sollten jetzt pragmatisch festlegen oder z.B. eine Liste als Grundsätze oder Gesetze welche priorität an erster stelle steht, welche an zweiter usw. Damit auch weniger erfahrene Menschen eine grobe Richtschnur haben und die Partei nach außen einigermaßen kommunizieren können. Jeder ist ein Politiker. Nicht der medialen Nutzung von öffentlichkeit erliegen anders gesprochen: sich nicht von Eliten(Machtgruppierungen, netzwerken) oder Mainstreammedien Erpressen oder Ausspielen Lassen. Personenkult und Lobbyrehtorik Abwehren oder das Gespräch einfach beenden, würde bedeuten auch mal eine Sendung im TV zu Verlassen, wenn das Niveu Unerträglich abflacht etwa auf Bildzeitungsebene. Stärke ist auch wenn man Klar den Medien die Grenzen Zeigt bzw.sich persönlich Schützt. Niemand sollte die Rethorischen spielereien Unterschätzen die sind Herrschaftsinstrument für Interessensgruppen und keineswegs Freie Medien, auch wenn die das Behaupten. Beispiele für Richtschnur; Erste Priorität: Personenkult muß jedem öffentlichem Gespräch z.B.TV Moderator Politischer gegenspieler Kritisiert und unnachgiebig also hart angegangen werden usw. Zweite Priorität:Keine Kompromisse mit den Gegenspielern eingehen niemals sondern immer die Eigenen Grundsätze Vehement Vertreten, wenn nicht möglich aussteigen und das wars dann auch, so kommt man nie in Erklärungsnot seinen Wälern gegenüber. Dritte priorität: wir Vertreten Grundsätze unserer Politik, die wird dann gemacht wenn alle Festgelegten Prioritäten Verwirklicht werden können soweit das absehbar ist, heißt keine Höhere Gewalt behindert. Vierte priorität:Solange keine Regierungsbeteiligung sondern lediglich Oppositionspolitik gemacht wird ist eine Sachthemenbezogene stimmbeteiligung zu oder gegen einen Entscheid Basisdemokratisch abzustimmen. Fünfte priorität; hart erarbeitete Grundsätze dürfen nicht Mißachtet werden da sich die Piratenwähler sonst abwenden und das wäre der Anfang vom Ende für die Piraten.
All das ist natürlich nur zum Anregen gedacht und nur mal so rausgeschrieben. Es muß auch nicht Prioritäten heißen, vielleicht gibt es schon ein paar unumstößliche Forderungen wie das BGE Bedingungslose Grund(aus)einkommen, welches ich wegen des Desolaten Zustandes der Demokratie in D und damit der Zukunftsfähigkeit unseres Landes(mit Menschen und nicht nur Wirtschaft) als TINA sehe.
Grüße
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