Während Phileas Fogg 80 Tage Zeit hatte, die Welt zu umrunden, verbleiben den Piraten in Nordrhein-Westfalen nur maximal 60 Tage um Unterstützungsunterschriften zu sammeln, die Kandidatenliste aufzustellen, Plakate zu entwerfen und aufzuhängen – kurz: Wahlkampf zu führen. Und genau wie die Reise in Jules Vernes berühmten Roman kam die Auflösung des Landtags in Düsseldorf sehr kurzfristig, aber nicht gänzlich überraschend. Doch was waren die Hintergründe?
Seit der Landtagswahl 2010, bei der die Piratenpartei noch mit 1,8% der abgegebenen Stimmen an der 5%-Hürde scheiterte, regierte eine rot-grüne Minderheitsregierung Deutschlands bevölkerungsreichstes Bundesland. Die Regierungskoalition startete mit dem Grundsatz eine Sach- und Konsenspolitik zu führen und so durch wechselnde Mehrheiten zu bestmöglichen Entscheidungen für die Bürger zu kommen. Dieses Vorgehen im Sinne der Demokratie und der durch das Grundgesetz versprochenen Freiheit des Mandats, fand jedoch bereits nach kurzer Zeit ein jehes Ende. Schnell wurde nämlich seitens der Landtagsfraktionen dazu übergegangen, nicht mehr nach Sachlage abzustimmen, sondern nur noch geschlossen nach Fraktionswillen.
So zeichnete sich bereits am gestrigen Vormittag ab, dass der Haushaltsentwurf 2012 auch in der zweiten Lesung nicht die notwendigen 91 Stimmen der insgesamt 181 Abgeordneten erhalten wird. Zwar erhielt der Entwurf die 90 Stimmen von SPD und Grünen, doch stellten CDU, FDP und LINKE bereits vor der Abstimmung klar, dass sie geschlossen dagegen votieren werden. Auch die Androhung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, den Landtag in diesem Fall aufzulösen, führte zu keinem Umdenken. Sie sorgte damit für Trotzreaktionen von CDU und FDP, die daraufhin klar stellten, notfalls selbst den Antrag auf Auflösung einzureichen.
Die entscheidende Abstimmung begann um 12.33 Uhr. Etwa eine Viertelstunde später lag das von allen Landstagsfraktionen im Vorfeld angekündigte Ergebnis dann tatsächlich vor. Zunächst herrschte Verwirrung im Landtag, weshalb die Sitzung bis 17 Uhr unterbrochen werden musste. Während innerhalb der Landtagsfraktionen noch Unklarheit bzgl. der möglichen Auflösung und den notwendigen Vorgehen herrschte, gab die Piratenpartei NRW bekannt für Neuwahlen bereit zu sein.
Im Gegensatz zur sachpolitischen Leitlinie der ehemaligen Minderheitsregierung im Düsseldorfer Landtag, war dies jedoch keine hohle Ankündigung. So fanden sich innerhalb von Minuten nach dem Aufruf per Twitter und Maillinglisten, selbst inmitten eines Arbeitstages, über 100 Piraten zur Krisentelefonkonferenz zusammen, um mit der Organisation der ungeplanten Landtagswahl zu beginnen. Es wurde kurzfristig ein außerordentlicher Parteitag zur Kandidatenaufstellung innerhalb der nächsten 2 Wochen und die Erweiterung des Wahlprogramms beschlossen, die Ideensammlung für Wahlplakate gestartet, die Finanzierung von Kaperbriefen zur Wahlkampfunterstützung angestoßen, Infostände organisiert.
Die Piratenpartei NRW ist also nicht nur bereit für Neuwahlen, sondern nach den letzten Umfragewerten mit 5 bis 7% der Stimmen auch bereit für den Einzug in ein weiteres Landesparlament. Somit besteht in diesem Jahr noch für die drei Landesverbände Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen die Chance, es den Berliner Piraten gleich zu tun und in das jeweilige Landesparlament einzuziehen.
Kommentare
8 Kommentare zu In 60 Tagen in den NRW-Landtag
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Ich habe etwas vom 10.4. als letztmögliche Abgabe von Unterschriftenlisten gehört. Wären also nicht einmal 60 Tage sondern tendenziell eher 20. Wird hart aber wir können es schaffen.
Wo kann ich mich in die Unterstützer-Unterschriftenliste eintragen? Geht das auch online, über meine mailadresse?
Hallo, am 14.3.2012 wurde der Landtag in NRW aufgelöst. Unter Drucksache 15/4293 wurde aber noch direkt vorher (sehr spannend im Plenarprotokoll des Landtages nachzulesen, die Anträge auf Auflösung des Landtages laufen unter Drucksache 15/4290 f) eine Finanzspritze für die Fraktionen beschlossen und zwar von allen Fraktionen in trauter Gemeinsamkeit. Den Steuerzahler belastet diese Aktion mit 1,87 Millionen Euro.
So funktioniert der Selbstbedienungsladen der Politiker.
Wenn ich es richtig verstehe, dann geht es bei den 1,87 Millionen Euro allerdings um Ausgaben, die bei Nicht-Auflösung des Landtages ebenfalls entstanden wären. Ohne Gesetzesänderung würden die Fraktionen nach der Auflösung ohne finanzielle Mittel dastehen. Bisher ist es nur noch nicht aufgefallen, da noch kein Landtag in NRW aufgelöst wurde.
zu beachten ist dabei, dass hier große Einigkeit unter den Parteien herrscht, wenn es um die eigenen Finanzen und Interessen geht. Auch viele andere müssen sich nun wegen des fehlenden Haushalts anderweitig zwischenfinanzieren. Außerdem ist der Landtag aufgelöst und es gibt keine Fraktionen mehr. Aber wie man am Beispiel der FDP im Bundestag sieht, werden Fraktionsgelder ja auch mal zweckentfremdet eingesetzt.
Hallo, wo kann ich mich in einer Unterschriftenliste eintragen? Liegen die irgendwo aus, oder kann sie an meine mail-adresse geschickt werden? Eine Antwort wäre super? Glück auf!
Liebe Piratenmitglieder, ich würde gerne aktiv in der Piratenpartei NRW teilnehmen und bei den Stützungsunterschriften mithelfen. Würde mich über eine rasche Antwort freuen. Lieben Gruß Gilda Offergeld