Sehr geehrter Freiherr von und zu Guttenberg,
ich wende mich in tiefer Sorge um den Fortbestand der Informationsfreiheit im Internet an Sie. Mir ist bekannt, dass Ihr Kampf gegen Zensur aus Brüssel heraus nicht als politisches Comeback missverstanden werden soll, sondern als Ausdruck Ihres Interesses an einer offenen Informationsgesellschaft zur Stärkung der Demokratie. Deswegen hoffe ich mit meinem Anliegen bei Ihnen richtig zu sein.
Der Verein White-IT, der auf undurchsichtige Art und Weise dem Innenministerium in Niedersachsen nahe steht, will Suchmaschinen, Mailanbieter, Webhoster, Filesharing-Dienste, kurz: all jene, die im Netz Inhalte weiterreichen oder Nutzern zugänglich machen, verpflichten, alle durch ihre Systeme laufenden Datenströme mit einer Checkliste kinderpornographischer Bilder zu durchsuchen.
Nach meinem Verständnis ist die Rechtslage eindeutig: Zugangsanbieter im Netz dürfen und sollen nicht wissen, welche Inhalte sie transportieren. Genau wie es die Telekommunikations- und Postdienstleister nichts angeht, was ihre Kunden an Telefonen und in Briefen mitteilen, haben sich auch die Internetprovider nicht darum zu kümmern, welche Informationen ihre Nutzer teilen.
Nun möchte Whilte-IT die Sache umdrehen: die Überwachung aller Nutzer, ohne konkreten Anlass oder Verdacht. Es brächte eine umfangreiche Überwachung mit sich, wenn jeder Anbieter die Mails, Daten, Websites und Filme durchsuchte, die seinen Kunden gehören. Dazu kommt, wie bei allen derartigen Eingriffen, die Gefahr des Missbrauchs. Wer garantiert beispielsweise, dass die Prüfsummen, welche die Provider erhalten, wirklich nur die von Kinderpornographie sind? Wer lediglich die Prüfsumme vergleicht, kann nicht erkennen, was sich hinter ihr verbirgt und ob es nicht vielleicht Wahlvideos einer Partei sind, die damit gefiltert oder berichtet werden. Diese Befürchtung ist nicht ganz aus der Luft gegriffen, denn es gibt durchaus Jugendschutzfilter, die den Zugriff auf die TAZ, die Webseiten der Grünen und der Piratenpartei, auf den Kinderschutzbund und andere Seiten wegen Jugendgefährdung sperren. Selbst wenn böse Absicht oder Missbrauch ausgeschlossen werden kann: auch eine wegen falscher Prüfsummen eingeleitete Ermittlung ist für den Betroffenen unangenehm und möglicherweise folgenreich.
Sobald ersteinmal die Filtermöglichkeit/-liste nach “KiPo” eingereichtet, ließe sich zu leicht eine zweite, dritte und vierte Filterliste für unliebsame pol. Inhalte dazuschalten… Wer wird künftig diese Medienzensoren überwachen? Wie soll verhindert werden, dass über diese eine Gleichschaltung in der medialen, sprich kommerziellen und privaten, Berichterstattung erfolgen könnte? Zumal natürlich absehbar ist, dass eine solche Ermittlungsmöglichkeit Begehrlichkeiten weckt.
Ich lehne als Mitglied der Piratenpartei ebenso wie meine Parteikollegen jegliche Form von Kinderpornographie ab. Jedoch bitte ich Sie als EU-Berater in Sachen Internetfreiheit, das erneute durchs Dorf treiben der Sau namens Kinderpornographie als gefährliche Symbolpolitik zu verurteilen. Denn die genannten Methoden dienen weder dem Opferschutz noch wird eine generelle und umfassende Strafvefolgung gewährleistet. In diesem Zusammenhang möchte auf den Kurswechsel der deutschen Bundesregierung von Netzsperren hin zum Löschen der fraglichen Inhalte verweisen. Bei einer Implementierung einer Filterung wie vom Verein White-IT gefordert, würde die Ermittlungsarbeit der Behörden gegen einzelne Anbieter und Konsumenten in den ersten Wochen eleichtert – bevor diese in dunklere Gefilde des Internets abtauchen und die weitere Verfolgung mittels Filterung unmöglich machen werden.
Ich bitte Sie gleichzeitig zu bedenken, dass das Internet lediglich ein weiteres Kommunikationsmedium darstellt. Würden die von White-IT geforderte Filterung auf traditionelle Kommuniaktionsmedien übertragen, hieße dies z.B. die fächendeckende Öffnung und Auswertung von Postsendungen – ganz so wie dies in der deutschen Geschichte zuletzt durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS oder vulgo Stasi) erfolgte. Methoden also, die von jedem demokratisch und freiheitich denkenden Menschen verurtielt wurden und werden.
Als Berater der EU in Sachen Internetfreiheit sind Sie ein Freiheitskämpfer des Internets. Auch wenn Ihr Auftrag nur Zensurmaßnahmen im Internet autoritärer Staaten betrifft, ist sicher nicht ausgeschlossen, dass Sie auch tätig werden, wenn ein weitgehend demokratisches Land die Freiheit im Netz einschränken möchte, wie es sonst eben nur Unrechtsstaaten zu tun pflegen.
Bitte bringen Sie Deutschlands Behörden davon ab, eine derartige Leibesvisitationspflicht für das Internet einzuführen. Nutzen sie ihre guten Kontakte in die Regierungskreise, um diesen neuen Angriff auf die freie Kommunikation in elektronischen Netzen abzuwehren. Ihre Chefin, die EU-Kommissarin Neelie Kroes, wird es sicher gerne sehen, wenn Sie in kurzer Zeit einen ersten Erfolg vorweisen können.
Da ich ein wenig unsicher bin, ob Sie bereits zu den Lesern der Flaschenpost gehören, schicke ich meinen Hilferuf auch an Ihre alte Berliner E-Mail Adresse karl-theodor.guttenberg@bundestag.de und hoffe, dass diese noch funktioniert.
Hoffnungsvoll warte ich auf Ihre Antwort.
About Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervor ging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites grosses Hobby, den Amateurfunk, investiert.
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Kommentare
11 Kommentare zu Offener Brief an Karl-Theodor zu Guttenberg
Aus welchem Grund befolgt die Flaschenpost diesen doppelt Klicken Unsinn für die g+ oder facebook buttons?
Wurde darüber abgestimmt oder ist das eine amdin Willkürlichkeit?
mfg
Hallo, aus Datenschutzgründen wird diese Variante benutzt und das war eine Entscheidung die während einer Mumble-Konferenz des Flaschenpost Teams getroffen wurde. Daniel Ebbert
Wer an pseudodemokraten Briefe schreibt egal in welcher Form, der beschäftigt sich it solchen Daseinsformen der Zweibeiner, was aber völlig unnötig ist. Bei solcher Pseudoelite kann nur ein gesundes Mass an absoluter Ignoranz, wieder ins wahre Lebenzurück geholfen werden. (obwohl in diesem Fall wahrscheinlich die geistige Gesundung lange auf sich warten lässt
Ich glaube nicht, dass dies wirklich ernst gemeint ist 😉 das sieht eher nach einer ziemlich hinterhältigen Trollaktion aus.
Leider funktioniert die Bundestagsadresse nicht mehr. Die Mail bounced, ich hatte gehofft dass es einen forward gibt. Nun, ich bin sicher, dass Herr zu Guttenberg von meinem Schreiben erfährt.
Wir dürfen gespannt sein, wie er diese zweite Chance aus Brüssel heraus praktisch nutzen wird.
Gott sei dank hat er die email nicht mehr und wenn Du nicht weisst wieso, dann lies Zeitung. Nebenbei finde ich die Buttons auch doof. Hier wie auch bei “Guttenberg for eu-kommission” (facebook) fehlt dann auch der “gefällt mir nicht button”. Falscher Brief an falsche Person (meine Meinung)- da würde ich ja noch eher schnell an den noch Bundespräsidenten Wulf einen aufsetzen (Konditionalsatz). Außerdem hoffe ich keine Antwort zu bekommen oder gar eine Diskussion an die Backe zu bekommen. LG Pirat
Moin Johann,
deiner Bitte um Nichtantwort kann ich leider nicht entsprechen 😉 Was den Bundespräsidenten betrifft kann ich dir jedoch Hoffnung machen. Lass dich überraschen was kommen wird.
Was den “I like” Button betrifft bitte ich dich folgendes zu bedenken: bei unserer Lösung wird der Datenschutz derer gewahrt, die Wert auf ihre Privatsphäre legen. Die, die besuchte Seiten an Facebook melden möchten haben ebenfalls die Möglichkeit dazu. So sind die Interessen beider Gruppen berücksichtigt. Beim herkömmlichen “I like” Button findet eine Zwangsmeldung an Facebook statt, auch wenn dies nicht gewünscht ist. Für unsere Win-Win-Situationsimplementierung des Facebook-Buttons sollte dir als Pirat der 2. Klick nicht zu viel sein!
Wir Piraten sollten nicht Steigbügelhalter sein für größenwahnsinnige Ex-Adlige, insbesondere Guttenberg, der ja wohl noch CSU-Mitglieder ist und von Seehofer weiter hofiert wird. Wenn wir unsere Anliegen nicht ohne solche Pfeifen durchkriegen, können wir die Partei gleich wieder auflösen.
Also entschuldige bitte mal, wieso denn bei jedem dämlichen Kommentar auftauchen dass er adelig ist. Wenns das ist was dich an ihm stört, bist du falsch bei dieser Partei und solltest zu den Linken wechseln. Ich denke dass Guttenberg in dieser Sache neutral seiner Partei gegenüber ist und es auch bleiben wird und die Piraten als Vertreter der Internetfreiheit unterstützen kann!
das “wir” würde ich gerne abschwächen oder rausnehmen, der rest sollte für die piraten weiterhin gelten, denke ich.
Die Anrede ist schon falsch und eines Piratenabsenders unwürdig. Der Adel ist seit fasst hundert Jahren abgeschafft, einen Freiherrn gibts nicht mehr als Titel oder Anrede, gnädigerweise aber als Bestandteil des Familiennamens. Deshalb muss es heißen: Herr zu Guttenberg oder in Gottes Namen: Herr Freiherr von und zu und sonstwohin Guttenberg.
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