Der Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier hat kürzlich davor gewarnt, die Frist für die Neuregelung des Wahlrecht ungenutzt verstreichen zu lassen. Das alte Wahlrecht wurde vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Bei der letzten Bundestagswahl wurde es dennoch genutzt, da es eben nicht für nichtig erklärt wurde. Mit einer Frist bis Ende Juni 2011 sollte der Regierung Zeit gegeben werden ein gültiges Wahlrecht auszuarbeiten. Laut Papier könnten die Konsequenzen ziemlich übel sein.
Wenn die nächste Bundestagswahl auf dieser verfassungswidrigen Grundlage stattfinden würde, dann wäre das Bundesverfassungsgericht in der Lage, auf eine Wahlprüfungsbeschwerde hin die gesamte Wahl für ungültig zu erklären. Nach einer annullierten Wahl gäbe es dann keinen Bundestag, und somit auch niemanden der ein neues Wahlrecht verabschieden könnte, auf dessen Grundlage eine verfassungskonforme Neuwahl möglich wäre. Papier hält eine Staatskrise für nicht ausgeschlossen, falls das Bundesverfassungsgericht nicht als eine Art Ersatzgesetzgeber Übergangsregelungen für die nächste Wahl aufstellen sollte. Selbst dieser “milde” Ausgang wäre eine heftige Ohrfeige und ein beispielloses Armutszeugnis für den Gesetzgeber. Ab dem 30. Juni können Parteien oder Wähler vor dem Bundesverfassungsgericht klagen, sollte der Bundestag bis dahin kein adäquates Gesetz verabschiedet haben.
Quelle: staat.de
Update: Brüderle lehnt rasche Änderung des Wahlrechts ab, denn das Thema sei zu komplex, und würde eben seine Zeit brauchen. Das seit 2008 eigentlich genügend Zeit war, verschweigt er lieber. Quelle: abendblatt.de
Kommentare
5 Kommentare zu Staatskrise wegen Wahlrecht?
Das werden sich unsere Abgeordneten sicher nicht leisten, da wird dann mal wieder das “Gesetz in 24 Stunden” Verfahren angewendet Kotz
Da fehlt der eindeutige Aufruf gegen dieses Gesetz zu klagen 😉
Wer kann klagen und in welcher Form muss das denn erfolgen ?
Schlimm genug, dass sich die BReg. seit 2008 auch um diese dringende Angelegenheit einfach nicht kuemmerte. (Da giibt es aber noch einige andere Leichen im Keller, so zB den Bruch des Versprechens der Frau Merkel in 2005, die Streichung der Ausbildungszeiten fuer die Rentenberechnung auch und 1:1 bei Beamtenpensionen einzufuehren !!) M. E. muesste bei einer ungueltig zustandegekommenen neuen Wahl aber das alte Parlament so lange weiterbestehen, bis ein neues rechtsgueltig gewaehlt ist. Eine Interimsphase ohne Parlament duerfte es de lege lata nicht geben.
Am 26.07.2012 berichteten Presse, Funk und Fernsehen darüber, dass das Bundesverfas-sungsgericht die Neufassung unseres Wahlgesetzes kassiert hat. Wenn sich nun die Regierung erneut mit dem Wahlgesetz befassen muss, dann sollte auch noch folgende bisherige Unkor-rektheit beseitigt werden: Bei Ermittlung der Prozente, die auf die einzelnen Parteien entfallen, wird immer von den abgegebenen Stimmen und nicht von den Stimmen aller Stimmberechtigten ausgegangen, das heißt, nicht alle Stimmberechtigen sind 100 % sondern erst die deutlich geringere Zahl aller abgegebenen Stimmen sind 100 %. Würde aber von den Stimmen aller Stimmberechtigten ausgegangen, dann hätte die letzte Bundestagswahl folgendes Ergebnis gehabt: Wahlberechtigt waren 62 132 442 Bürger. Abgegeben waren 43 997 633 Stimmen. Ungültig waren 640 091 Stimmen. Daraus ergibt sich, dass bei der letzten Bundestagswahl 17 494 718 Wahlberechtigte nicht gewählt haben. Ein kleiner Teil ungültiger Stimmen dürfte auf Unaufmerksamkeit oder Unkorrektheit oder Ähnlichem zurückzuführen sein. Die Mehrheit aber wird sicher Ihren Stimmzettel ungültig gemacht haben, weil sie gegen das Wahlsystem protestieren wollte oder weil sie auf dem Wahlzettel keine Partei fanden, der sie vertrauen würden. Sie waren also gegen diese Wahl!
Die 17 494 718 Nichtwähler aber können nicht gegen diese Wahl gewesen sein, denn ihre Stimmen konnten nur dem Wahlsieger zugute kommen, gleichgültig, wer Wahlsieger wurde. Diese Tatsache ergibt sich daraus, dass bei der Ermittlung der Prozente, die auf die einzelnen Parteien entfallen, nicht von den abgegebenen Stimmen aller Wahlberechtigten ausgegangen wird. Wie das Wahlergebnis ausgesehen hätte, wäre von den Stimmen aller Wahlberechtigten aus-gegangen worden, lässt sich leicht nachrechnen, die Prozente hätten sich folgendermaßen ver-ändert: Für die CDU von 27,3 % in 19 %. Für die CSU von 6,5 % in 4,6 %, damit käme sie nicht über die 5 %- Grenze. Für die SPD von 23,0 % in 16,1 %. Für die FDP von 14,4 % in 10,2 %. Für die Linke von 11,9 % in 8,3 %. Nimmt man noch die Grünen mit, dann zeigt sich bei denen eine Änderung von 10,7 % in 7,5 %. Alle weiteren Parteien sind auch bei der gegenwärtigen Berechnung unter der 5 %- Grenze. CDU (ohne CSU) und FDP würden zusammen nur auf 29,2 % kommen statt 48,2 %, denn die Stimmen der CSU dürften nicht mitgezählt werden, weil sie unter 5 % kämen. Hieran ist eindeutig zu erkennen: Wenn die Nichtwähler wenigstens so klug wären, wie die Wähler, die ungültige Stimmen abgegeben haben, dann hätten auch sie gegen den Wahlsieger protestiert, obwohl der Wahl-sieger noch gar nicht feststand. So aber gelten sie als Unterstützer der Wahlsieger die mit dieser Wahl erst ermittelt wurden. Diese Unkorrektheit sollte unbedingt beseitigt werden.
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